Ausland Das Gipfeltreffen der Erzfeinde

Washington · Donald Trump hat entschieden, sich mit Kim Jong Un zu treffen. Was hat den US-Präsidenten zu seinem Schwenk bewogen? Wie reagieren amerikanische Politiker?

 US-Präsident Donald Trump (l) am 26.02.2018 in Washington, District of Columbia, USA, und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am 09.05.2016 in Pjöngjang, Nordkorea.

US-Präsident Donald Trump (l) am 26.02.2018 in Washington, District of Columbia, USA, und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am 09.05.2016 in Pjöngjang, Nordkorea.

Foto: dpa/Wong Maye-E

Die Volte des Donald Trump, sie wirkt umso sensationeller, wenn man bedenkt, was ihr alles vorausgegangen war an rhetorischen Scharmützeln. Es ist erst sieben Monate her, da sprach er von Feuer und Zorn, von der alles vernichtenden Antwort, die er geben werde, falls Nordkorea seine nuklearen Angriffsdrohungen wahrmache. Dann war Kim Jong Un der „Raketenmann“, der sich auf selbstmörderischer Mission für sich und sein Regime befinde. Und nun die Wende, von Trump scheinbar ebenso spontan eingeläutet, wie er im August in seinem Golfclub in New Jersey urplötzlich das Szenario von „Fire and Fury“ heraufbeschwor.

So wie es sein Pressestab schildert, holte der US-Präsident den südkoreanischen Emissär Chung Eui Yong kurzerhand ins Oval Office, als der Gast, den er erst am nächsten Tag treffen sollte, im Westflügel des Weißen Hauses erste Gespräche führte. Chung, wenige Tage zuvor in der Rolle des Krisenmanagers nach Pjöngjang gereist, übermittelte das Angebot Kim Jong Uns, sich mit Trump zu treffen. Und der sagte sofort zu. Mehr noch, er forderte den Besucher auf, es den Reportern im Weißen Haus bitte gleich mitzuteilen. So kam es, dass Chung, nach einem Telefonat mit seinem Staatschef in Seoul noch am Donnerstagabend nach amerikanischer Ostküstenzeit für „World News“ sorgte.

Die Sequenz der Ereignisse ist schon deshalb relevant, weil sie illustriert, besser: aus Sicht der Washingtoner Regierungszentrale unbedingt illustrieren soll, zu welch schnellen Wendungen der Mann im Oval Office in der Lage ist. Trump, der Pragmatiker. Trump, der Wendige, dem ideologische Scheuklappen nicht den Blick versperren. Der eingefahrene Gleise verlässt, der zwar nominell Republikaner ist, aber eben ein unkonventioneller. Das soll die Botschaft sein. Seine Anhänger vergleichen es bereits mit dem China-Coup, den sein Vorvorgänger Richard Nixon landete, als er 1972 überraschend nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen.

Doch wenn es das eine Motiv gibt, das Trumps jähen Entschluss am ehesten erklärt, dann ist es der offenbar durch nichts zu erschütternde Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Allein durch Willenskraft und Verhandlungsgeschick, scheint er zu glauben, kann ihm gelingen, woran Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama erst verzweifelt und dann gescheitert waren: Pjöngjang zu einem belastbaren Bekenntnis zur De-Nuklearisierung der Koreanischen Halbinsel zu bringen.

Das Genie, das nun auch in der Politik anwendet, womit er im harten Immobiliengeschäft New Yorks Erfolg hatte: So verkaufte sich Trump der Wählerschaft, als ihn die „Grand Old Party“ zum Präsidentschaftskandidaten kürte. Er allein könne die Probleme des Landes lösen, lautete damals, im Sommer 2016, sein Schlüsselsatz. Einmal im Amt, gab er vor, das Konfliktknäuel des Nahen Ostens in kurzer Zeit aufdröseln zu können. Bislang ist der Ankündigung an praktischen Taten nicht viel gefolgt, jedenfalls nichts, was auch den Palästinensern Vertrauen einflößen würde. Nun fürchten Skeptiker, im Falle Nordkoreas könnte der Kontrast zwischen Worten und Handeln  ähnlich krass ausfallen. 

Wendy Sherman, eine Diplomatin, die schon unter Clinton in Pjöngjang verhandelte, hat es in der New York Times mit einem gewissen Sarkasmus kommentiert. Zwischen Trump und Kim, sagt sie, gebe es eine Symmetrie. „Wir reden von Politikern, die beide im tiefsten Innersten glauben, dass sie die einzigen Menschen sind, die eine Rolle spielen.“ Diplomatie sei etwas Positives, so Sherman. Nur gehe es hier um eine Variante der Diplomatie, die gründlich vorbereitet werden müsse – „das hier ist etwas Ernstes, keine Reality-Show“.

Christopher Hill, ein Veteran des langwierigen Dialogs mit Nordkorea, plädiert dagegen dafür, eine Chance zu nutzen, die nicht so oft wiederkehre. Nach Jahrzehnten frustrierender Verhandlungen müssten die USA der Versuchung widerstehen, nichts zu tun, „denn von allein wird sich die Gefahr nicht in Luft auflösen“. Trump, fügt der Ex-Botschafter hinzu, solle auf klare Signale drängen, dass Nordkorea bereit sei, sein Atomwaffenarsenal abzurüsten. Nüchtern betrachtet kreuzen sich grundverschiedene Interessenlagen. Während Trump auf eine rasche, unumkehrbare Aufgabe jeglicher nuklearer Aktivitäten pocht, strebt Kim eine Lockerung von Sanktionen an, möglichst verbunden mit der Legitimierung seines Atomprogramms. Wie sich der Graben überbrücken lässt, ist völlig offen. Es gibt nicht wenige in Washington, die den Präsidenten davor warnen, auf ein Täuschungsmanöver der Kim-Dynastie hereinzufallen. In den Neunzigern war es Clinton, der derartige Erfahrungen machen musste. Nordkorea versprach sein Plutonium-Waffen-Programm einzufrieren, wurde dann aber bei der Urananreicherung ertappt. Später, der Widerpart im Oval Office hieß Bush, bekannte es sich zur De-Nuklearisierung, nur um kurz da­rauf seine erste Atombombe zu testen.

 Kim Jong Un.

Kim Jong Un.

Foto: dpa/Uncredited

Clinton übrigens war gegen Ende seiner Amtszeit drauf und dran, als erster US-Präsident in das abgeschottete asiatische Land zu reisen, seine Außenministerin Madeleine Albright hatte mit einer Visite im Jahr 2000 die Weichen gestellt. Dann aber machte er einen Rückzieher, weil der damalige Machthaber Kim Jong Il nicht schon im Vorfeld Garantien für einen Deal geben wollte. Der Vater Kim Jong Uns bestand darauf, die entscheidenden Streitfragen erst im Vieraugengespräch mit Clinton zu klären. Worauf der Amerikaner die Sache abblies.

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