Politik Wenn man Feind ist und nichts davon weiß

Trier/Mainz · Warum das rheinland-pfälzische Innenministerium und das Landeskriminalamt keine Notwendigkeit sehen, Personen darüber zu informieren, die auf Listen rechter Gruppen genannt werden.

 Im Internet wird immer mehr Hass geschürt. Experten warnen davor, dass dieser Hass auch in Gewalt umschlagen kann.  Foto: dpa

Im Internet wird immer mehr Hass geschürt. Experten warnen davor, dass dieser Hass auch in Gewalt umschlagen kann. Foto: dpa

Foto: picture alliance / Arno Burgi/dp/Arno Burgi

Der Name Walter Lübcke stand auf eine sogenannten Todesliste. Und zwar auf einer Liste, die die Mitglieder der rechtsterroristischen NSU erstellt haben. Der Kasseler Regierungspräsident stand laut Medienberichten zusammen mit 10 000 weiteren Namen und Objekten. Am 2. Juni wurde Lübcke auf der Terrasse seines Hauses erschossen. Mutmaßlicher Täter soll ein einschlägig vorbestrafter Rechtsextremist sein.

Seitdem wird über diese sogenannten Todeslisten diskutiert. Und darüber, wie die Polizei und die Sicherheitsorgane damit umgehen sollen. Das ARD-Magazin „Fakt“ hatte herausgefunden, dass dies in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich gehandhabt wird. In Hessen und Thüringen seien die auf den verschiedenen Datensammlungen genannten Personen informiert worden. In Rheinland-Pfalz sieht man dafür allerdings keine Notwendigkeit, wie eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte. Zwar existiere keine Liste, auf der ausschließlich rheinland-pfälzische Bürger aufgeführt seien.  „Gleichwohl sind in den Informationssammlungen auch Datensätze rheinland-pfälzischer Bürger enthalten“, so die LKA-Sprecherin. Spezialisten der Behörden hätten keine „gefährdungsrelevanten Erkenntnisse“ erbracht. Daher sehe man  „sowohl von einer Benachrichtigung der gelisteten Personen als auch von der öffentlichen Benennung der Anzahl der betroffenen Personen aus Rheinland-Pfalz“ ab, teilte die Sprecherin mit und ergänzte, dass es sich dabei nicht um Amts- und Mandatsträger oder Personen des öffentlichen Lebens handele.

Auch aus dem rheinland-pfälzischen Innenministerium heißt es, dass sich  „keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung unterliegen“. Daher handele es sich bei den Datensammlungen, die dem Bundeskriminalamt vorliegen, auch nicht um Feindes- oder gar Todeslisten. „Im Übrigen“, so eine Ministeriumssprecherin, „verfahren die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder in Fällen des Bekanntwerdens solcher Listen und Informationssammlungen abgestimmt, um für Sicherheit zu sorgen und den Schutz von gefährdeten Personen bestmöglich zu gewährleisten.“

Im Juni sprach Innenminister Roger Lewentz (SPD) im Innenausschuss von einer „wachsenden abstrakten Gefahr durch gewaltbereite Rechtsextreme in Rheinland-Pfalz. Auf rund 150 Personen wird deren Zahl hierzulande geschätzt. Die Akteure würden vorwiegend in sozialen Netzwerken in abgeschotteten, für Außenstehende oft nicht zugänglichen Bereichen, kommunizieren. Diese Online-Plattformen könnten auch „zur Gewinnung und Radikalisierung bisher szenefremder Personen“ führen, so Lewentz.

Das wiederum könne zur „Mobilisierung für Aktivitäten in der ‚Realwelt’“ bis hin zu Gewalttaten führen. Laut Lewentz gibt es derzeit keine konkreten Hinweise auf Rechtsterrorismus in Rheinland-Pfalz. Gleichwohl sei die Zahl der rechten Straftaten von 635 in 2017 auf 698 im vergangenen Jahr gestiegen. In der Region wurden nach Zahlen des Innenministeriums 111 rechte Straftaten registriert, die meisten davon mit 53 in Trier. Landesweit hat es laut Lewentz im vergangenen Jahr 52 rechte Gewalttaten  gegeben, im Jahr zuvor waren es 32. Im gleichen Zeitraum stieg auch die Zahl linker Gewaltdelikte von vier auf 23. Laut LKA ist es üblich, im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Informationen über den politischen Gegner zu sammeln. Auch das sogenannte Outing, also die Veröffentlichung von Namen politischer Gegner sei dabei gängige Praxis. Ziel sei es vor allem, Angst zu schüren und Verunsicherung zu verbreiten. „Zunehmend werden auch Personen des öffentlichen Lebens, Amtspersonen, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, aber auch Privatpersonen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus sowie den handelnden Personen auseinandersetzen, Gegenstand dieses Vorgehens“, so die LKA-Sprecherin. Für den Landesvize der Gewerkschaft der Polizei, Bernd Becker, ist klar, dass „Feindaufklärung“ betrieben wird. Und das nicht nur im rechten Lager, sondern auch von links. Er warnt aber davor, das vor allem AfD-Politiker im Internet ein Klima der Angst und Verunsicherung schürten. „Das ist die immer durchsichtiger werdende Kommunikationsstrategie rechter Wölfe im demokratischen Schafspelz“, so Becker.

Dagegen wehrt man sich bei der AfD. Deren Trierer Vorsitzende, der Landtagsabgeordnete Michael Frisch, kritisiert, dass die von seiner Partei vorgetragene „berechtigte und in einer Demokratie essenzielle Kritik“ als Hass und Hetze  diffamiert werde. „Letztlich ist das nichts anderes als die Verweigerung eines inhaltlichen Diskurses, weil man sich offensichtlich argumentativ der AfD nicht gewachsen fühlt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort