Leserbriefe Unerträgliche Einseitigkeit

Zur Berichterstattung über die Antisemitismus-Debatte in Deutschland und zum Interview „Es ist ein deutsches Problem“ mit dem Antisemitismus-Beauftragten Dieter Burgard (TV vom 25. April) schreiben Monika Wächter, Ulrike Grün und Otto Frhr. Hiller v. Gaertringen:

Vorausschicken möchte ich: Bei der aktuellen Diskussion über Antisemitismus vermisse ich ganz explizit die notwendige scharfe Trennung zwischen Antisemitismus (der ein Rassismus ist) und der fundierten Kritik an zum Beispiel der Politik Israels. Beides ist etwas komplett anderes und wird leider in der Öffentlichkeit und in den Medien  unzulässig vermischt.
Jeglicher Rassismus – insbesondere der gewalttätige der gegenwärtigen Vorfälle – ist absolut abzulehnen, selbstverständlich auch die Diskriminierung und Gewalt gegen Menschen in der Vergangenheit. Rassismus diskriminiert oder verfolgt Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe. Wobei es sowieso keine „reinen“ ethnischen Gruppen gibt, wie genetische Untersuchungen der Wissenschaft in jüngerer Zeit festgestellt haben. Wer sich diesbezüglich mal untersuchen lässt, wird erstaunt erleben, wie viele „Rassen“ er „genetisch“ in sich trägt!

Kritik an jedem politischen System ist erlaubt, argumentativ, diskursiv und ohne Gewalt, weil es zur stetigen Entwicklung der Systeme beiträgt. In Deutschland ist dies mittlerweile ein hohes Rechtsgut. Diese Politikkritik ist leider in vielen Staaten unseres Planeten nicht erlaubt und wird dort oft genug mit Strafen oder Tod verfolgt.
Die Definition beider Begriffe ist leider vielen Personen nicht bekannt, und so entstehen falsche Zuordnungen!
Nun beziehe ich mich auf die Aussage von Katarina Barley: „Antisemitismus wird salonfähig.“ Dieser Ansicht möchte ich widersprechen, denn „salonfähig“ (der Salon war noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein Treffpunkt Intellektueller und gebildeter Bürger) heißt in dem Fall: in weiten Kreisen deutscher Bürger. Der Bodensatz des Antisemitismus hingegen im heutigen Deutschland wird nach meinem Wissen im Wesentlichen durch die Neonazis und eher bildungsfernen Menschen repräsentiert. Und in neuerer Zeit häufen sich die Fälle bei Immigranten aus Ländern, die einen offenen tatsächlichen Antisemitismus-Rassismus pflegen. Ich wünsche mir von den Medien, dass diese wichtige Unterscheidung immer wieder herausgestellt und betont wird, bis es jedem klar wird.

Monika Wächter, Wittlich

In einer Sache muss ich Herrn Burgard ja recht geben: Der Antisemitismus ist ein deutsches Problem. Aber nicht eines, das primär die deutsche Bevölkerung betrifft, sondern in erster Linie ist es ein Problem der deutschen Regierung, die es einfach nicht fertigbringen will,  mit absoluter Konsequenz die Null-Toleranz gegenüber Übergriffen auf jüdische Bürger durchzusetzen. Ohne Wenn und Aber! Und auch unsere Kirchen halten sich zurück. Meines Wissens hat sich noch kein Kirchenmann zu den jüngsten Vorfällen geäußert.

Als der afghanische Flüchtling die Mia in Kandel umgebracht hat, standen noch am gleichen Tag evangelische und katholische Pfarrer stramm, um nur keine vorschnellen Urteile aufkommen zu lassen. Ach ja, der Islam gehört ja auch zu Deutschland, laut unserer Kirche und Angela Merkel. Und das Judentum nicht, oder was?! Wenn ich an Freunde Israels und der Juden denke, dann fallen mir nicht als Erstes die Muslime ein.

Unsere realitätsfernen Politiker, vornehmlich aufseiten der Grünen, Linken und linksorientierter SPD, graben und kramen in der rechtsradikalen Kiste und wischen komplett weg, was Lehrer in Schulen, Eltern jüdischer Kinder und  nicht in ihrer Religion einge­klemmte, sondern neutrale muslimische Pädagogen und Psychologen sagen. Nämlich, dass ein überproportional großer Anteil der Übergriffe auf Menschen jüdischen Glaubens aus den Reihen derer kommen, die einen muslimischen Hintergrund haben.

Natürlich gibt es den Antisemitismus im rechten Milieu, das bestreitet ja auch keiner. Aber nur dort zu suchen ist abstrus, ablenkend und eine Demagogie gegen das eigene Volk, die sich in dieser Unart, wie sie bei uns abläuft, kein einziges Land dieser Welt leistet. Und der deutsche Michel nickt. Oder war es ein Rechtsradikaler, der mit dem Gürtel auf den jungen Israeli in Berlin eingeschlagen hat, nur weil dieser eine Kippa trug? Es war ein Flüchtling aus Palästina, der hierher vor Krieg und Terror geflüchtet ist und der genau weiß, dass er auf immer und ewig in Deutschland bleiben kann (man wird Gründe finden, warum man ihn nicht abschieben kann). Er wird ein paar lauwarme Ermahnungen bekommen (so traumatisiert), und so die ganze Milde unseres Gesetzes zu spüren bekommen.

Es ist unerträglich, dass man als Jude in Deutschland nicht mal eine Kippa tragen kann, ohne Angst zu haben, während Muslime ihre Religionszugehörigkeit mit einer Selbstverständlichkeit vor sich her tragen. Und wenn wir schon die dramatische deutsche Geschichte bemühen, dann ist dieses Ungleichgewicht nicht zu ertragen. Es wird auch viel zu wenig über jüdische Kultur und die dazugehörigen Feiertage in der Öffentlichkeit gesprochen. Wenn jedoch Ramadan ist, dann werden wir vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen informiert. Da ist sie wieder, diese Einseitigkeit. Ich rate Herrn Burgard, doch auch einmal in diese Untiefen einzutauchen. Vielleicht verändert sich sein Blickwinkel.

Ulrike Grün, Trierweiler

Will man der Gefahr des wachsenden Antisemitismus in Deutschland begegnen, darf nicht unberücksichtigt bleiben, woher der Antisemitismus seinen allerstärksten Auftrieb erhält: aus dem Einwanderermilieu. Jens Spahn, Bundesminister im Kabinett Merkel IV, spricht diese Zusammenhänge  klar aus: „Wir schauen importiertem Antisemitismus aus falsch verstandener Toleranz schon viel zu lange achselzuckend zu.“

Noch hat dieses Problem nicht die Ausmaße wie in Frankreich angenommen. Seit Jahren wandern Juden aus Frankreich nach Israel aus. Schulleiter raten jüdischen Eltern inzwischen offen davon ab, ihre Kinder auf öffentliche Schulen zu schicken – wegen des wachsenden islamisch geprägten Antisemitismus in Frankreich, wegen immer häufiger auftretenden Drangsalierungen jüdischer Schüler und einer wachsenden Gefahr für Leib und Leben derselben.

Soweit darf es in Deutschland keinesfalls kommen. Das wird aber nur verhindert werden können, wenn Politik und Gesellschaft nicht die Augen vor den Tatsachen verschließen. Die irrationale Einwanderungspolitik hat eine neue Art von Antisemitismus im Land verursacht und gefördert. Man muss die Einwanderung von Antisemiten, insbesondere von militanten Antisemiten, unterbinden. Wolkige projüdische Äußerungen durch besorgt dreinblickende deutsche Politiker bewirken nichts, wenn diese nicht entsprechend politisch handeln. Eingewanderte Judenhasser sind umgehend zu repatriieren.

Die mögliche Wirkung des importierten Antisemitismus auf den einheimischen Antisemitismus muss klar erkannt und ausgesprochen werden. Er trägt zu einer Wiederbelebung, zu einer Verstärkung dieses einheimischen Antisemitismus bei, der bis vor kurzem eher im Abklingen begriffen war. Er fristete ein Restdasein, vor allem bei bestimmten Bürgern fortgeschrittenen Alters, bei „verdorbenen Greisen“, um eine Formulierung Wolf Biermanns zu verwenden. Daneben ist Antisemitismus auch in Bereichen des jüngeren autochthonen intellektuellen Prekariats zu finden.

All das sind von der deutschen Gesellschaft und von deutscher Politik zum größten Teil selbst verursachte bedenkliche Entwicklungen. All das ist keine verantwortungsbewusste Politik. Eine solche besteht aus Aufklärung, einem freien Diskurs und sinngeleitetem politischen Handeln.

Otto Frhr. Hiller v. Gaertringen, Bitburg

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