Finanzen Kommunen im Land rufen nach einem Rettungsschirm

Trier/Mainz · Versprochene 100 Millionen Euro des Landes fehlen bislang auf den Konten von Städten und Kreisen. Sie fordern mehr Hilfen, um Schwimmbäder, Straßen und öffentlichen Nahverkehr auch künftig bezahlen zu können. Auch die Stadt Trier äußert sich.

Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz ächzen unter einem hohen Schuldenberg, der ihnen Probleme bereitet, Straßen, Schwimmbäder und öffentlichen Nahverkehr zu bezahlen. Nach der Corona-Krise, so fürchten sie, tragen sie noch schwerer an diesen Ausgaben. Denn es gibt momentan keine Menschen, die in Theater strömen, in Bibliotheken Bücher ausleihen und in Bädern schwimmen, wodurch Städten und Gemeinden gewohnte Einnahmen in den Kassen fehlen. Noch gravierender: Weil die meisten Geschäfte dicht sind, gehen auch Gewerbesteuereinnahmen flöten. 500 Millionen Euro, so rechnet der Vulkaneifeler CDU-Landtagsabgeordnete Gordon Schnieder, verlieren Kommunen über die wegbrechenden Steuer alleine in Rheinland-Pfalz.

Die Folge? Der Birresborner reiht sich in die Rufe der Städte und Gemeinden ein, die einen Rettungsschirm für die Kommunen fordern. Am Dienstag hat der Vulkaneifeler sein Konzept vorgestellt – und das Konzept des Landes kritisiert. Die 100 Millionen Euro für Kommunen, die die rot-gelb-grüne Landesregierung im Nachtragshaushalt verankert hat, um die schlimmsten Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, reichten nicht aus – und seien auch noch gar nicht vor Ort angekommen. Schnieder fordert, den kommunalen Finanzausgleich mit mehr Mitteln aufzustocken und durch Gesetze anfallende Mehrkosten wie der Kita-Novelle stärker aus dem Landeshaushalt zu begleichen. Der Vulkaneifeler moniert aber auch, dass die Kommunalbehörde ADD viele Haushalte noch nicht genehmigt habe und den Städten und Gemeinden „Daumenschrauben“ anlege. „Zur Unzeit“ kämen auch Forderungen an Kommunen, Grundsteuern zu erhöhen, um neue Einnahmen zu schaffen. Das dämpfe die Binnennachfrage, kritisiert der CDU-Politiker und wirft dem Land vor: „Mit der Krise rächt sich, dass die vergangenen wirtschaftlich guten Jahre nicht zu einer deutlichen strukturellen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation genutzt worden sind. Haushalte waren vorher schon auf Kante genäht.“ In der Tat gehören alleine Städte wie Trier, Pirmasens, Kaiserslautern oder Ludwigshafen in bundesweiten Rankings regelmäßig zur Spitzengruppe der Pro-Kopf-Verschuldung. Ihre Lage verschlimmert sich nun. Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe sagte in einem Volksfreund-Interview, in der Corona-Krise im schlimmsten Fall „mit einem Minus für die Stadtkasse von 40 bis 50 Millionen Euro pro Quartal“ zu rechnen. Rund 2,7 Millionen Euro sollte die Stadt Trier vom Land bekommen. Das Geld sei auch noch nicht da, bestätigt Sprecher Michael Schmitz, der sagt: „Das ist eine Soforthilfe, aber es wird sicherlich nicht ausreichen, um die Folgekosten bei der Kommune aufzufangen.“ Der deutsche Städtetag hatte bereits davor gewarnt, dass nach Corona Sparpolitik drohe, wodurch Schwimmbäder, Theater oder Büchereien dauerhaft schließen könnten. Der Verband forderte Bund und Länder auf, das Altschulden-Problem zu lösen und besonders finanzschwachen Kommunen wieder mehr Freiheiten zu geben, um Investitionen zu tätigen.

Günther Schartz, Chef des Landkreistages und CDU-Mitglied, fordert einen kommunalen Schutzschirm. „Kreise und Städte haben in kürzester Zeit Fieberambulanzen aufgebaut, sie gleichen die Ausfälle im ÖPNV und im Schülerverkehr aus, die Kommunen decken ausgebliebene Einnahmen bei Krippenbeiträgen und in der Kindertagespflege und unterstützen soziale Einrichtungen“, sagte der Landrat von Trier-Saarburg in einer Mitteilung, in der er solidarische Hilfe von Bund und Land einfordert. Trotz Einnahmeausfällen müssten Kommunen in der Lage sein, Unternehmen und Selbstständige durch Investitionen zu unterstützen und Arbeitsplätze zu erhalten.

Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Gemeinde- und Städtebundes, sagt, dass schon bei der Finanzkrise 2008 rund 20 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen weggebrochen seien. Er rechne diesmal mit höheren Einbußen. Der kommunale Spitzenverband hat Gemeinden und Städte bereits angeschrieben, um einen ersten Trend zu liefern und genaue Zahlen zu ermitteln. Der Nitteler (Kreis Trier-Saarburg) nimmt die Landesregierung ins Gebet, „nicht im stillen Kämmerlein über das weitere Vorgehen bei den Kommunen zu beraten, sondern uns einzubinden“. Auch der Trierer AfD-Landtagsabgeordnete Michael Frisch schreibt dem Land Hausaufgaben ins Heft: „Um die Wirtschaft vor Ort zu unterstützen und das Aufkommen der Gewerbesteuer zu erhöhen, sollten mit dem Geld auch kommunale Infrastrukturprojekte vorgezogen und andere beschleunigt werden.“ Das Land solle Kommunen dabei unter die Arme greifen, bürokratische Hürden abbauen und Geld bereitstellen. „Zumindest bei extrem betroffenen Kommunen sollte das Land außerdem für einen Teil der Steuerausfälle einstehen“, fordert Frisch.

Das Land wehrt sich gegen  Kritik, Kommunen ohne (Rettungs-)Schirm im Regen stehen zu lassen. Finanzstaatssekretär Stephan Weinberg (SPD) sagte in einer Mitteilung, man habe die Lage der Kommunen im Blick. Die 100 Millionen Euro würden „innerhalb der nächsten Tage“ bei den Kommunen eingehen. Das Land habe schon vor der Krise erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Finanzlage zu verbessern. Von 2014 bis 2020 sei der kommunale Finanzausgleich im Haushalt um 1,3 Milliarden Euro auf 3,3 Milliarden Euro gewachsen. Mit diesen Aufwüchsen stehe Rheinland-Pfalz an der Spitze im Ländervergleich. Die Debatte um Unterstützung der Kommunen müsse auch im Bund geführt werden.

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