Landespolitik „Superministerin“ Spiegel kämpft um das Vertrauen ins grün-geführte Umweltministerium

Mainz/Biersdorf · Anne Spiegel übernimmt die Nachfolge von Ulrike Höfken, füllt mehrere Ämter aus und will den Beförderungsskandal aufarbeiten. Die Opposition zweifelt, ob ihr das gelingt.

 Kann sie Krise? Anne Spiegel übernimmt die Nachfolge der Eifeler Umweltministerin Ulrike Höfken, die spätestens zum 31. Dezember zurücktritt. Spiegel bleibt zugleich Chefin ihres alten Ministeriums – und grüne Spitzenkandidatin.

Kann sie Krise? Anne Spiegel übernimmt die Nachfolge der Eifeler Umweltministerin Ulrike Höfken, die spätestens zum 31. Dezember zurücktritt. Spiegel bleibt zugleich Chefin ihres alten Ministeriums – und grüne Spitzenkandidatin.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun überreichte Anne Spiegel eine Packung mit Walnüssen. Nervennahrung. „Die kann ich gebrauchen“, sagte Anne Spiegel und lachte. Denn die 39-Jährige hat die Aufgabe, die grüne Ehre im rheinland-pfälzischen Umweltministerium zu retten, das nach rechtswidrigen Beförderungen in einer tiefen Krise steckt.

Keine 48 Stunden, nachdem die Eifeler Ministerin Ulrike Höfken und deren Staatssekretär Thomas Griese ihren Rückzug zum 31. Dezember erklärt haben, stellte die Partei am Freitag die neue Umweltministerin vor. Weil Anne Spiegel mit Ulrich Kleemann, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord gleich einen neuen Staatssekretär an Bord holt, gelang den Grünen genau der personelle Doppelschlag, den Parteikreise im „Trierischen Volksfreund“ zuvor bereits als „logische Lösung“ genannt hatten.

Spiegel kündigte an, die Krise im Ministerium aufzuarbeiten. „Es geht darum, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.“ Höfken und Griese attestierte sie – ohne sie namentlich zu nennen – Fehler gemacht, behoben und Konsequenzen gezogen zu haben. Das Aber dahinter: Es sei richtig, nun eine „externe Stelle“ auf die Beförderungsverfahren schauen zu lassen – auch auf die, die am 18. Mai 2021 noch anstehen, deutete Spiegel an. Ging es darum, den Skandal im grün-geführten Haus zu lösen, verwies die Ministerin auffällig oft auf Ulrich Kleemann. An ihm liege es, „neue Standards und Transparenz“ zu schaffen.

Übersetzt: Der Krisenmanager heißt Kleemann, die Spitzenkandidatin Spiegel soll dagegen keine Kratzer am grünen Lack abbekommen. Für den 65-jährigen Kleemann bahnt sich damit ein heißer, wenn auch kurzer Ausflug in die Landespolitik an. Im Mai, wenn die Legislaturperiode endet, will er in Pension gehen. Bei diesem Wunsch bleibe Kleemann auch, bekräftigte Spiegel.

Die Grüne – auf Twitter schon als „Superministerin“ gefeiert – dürfte sich dagegen vor Terminen nicht retten können. Neben dem Umweltministerium leitet sie weiter das Integrationsministerium, in dem sie sich von Staatssekretärin Christiane Rohleder entlastet fühlt. Die 39-Jährige sprach von einem „Kraftakt“ und brachte es auf den Punkt: „Ich bin jetzt Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung, Forsten, Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz. Das passt auf keine Visitenkarte.“ Die Verantwortung über ihre Zuständigkeiten hinaus übernehme sie aber gerne, weil es um wichtige Inhalte gehe – wie den Klimaschutz. Diesen will Spiegel, die für doppelt so viel Windkraft und dreimal so viel Solarenergie bis 2030 in Rheinland-Pfalz wirbt, ohnehin als grüne Spitzenkandidatin im Wahlkampf einbringen.

Spiegel schloss nicht aus, das der Staffelstab im grün-geführten Haus schon vor dem 31. Dezember übergeben wird. Weil sie auch vierfache Mutter ist, ließ sie sich die Mehrfachrolle von ihrer Familie abnicken. Eins ihrer Kinder habe geantwortet: „Du bist Mutter von vier Kindern. Dann kannst du auch Chefin von zwei Ministerien sein.“ Die Opposition im Mainzer Landtag sieht das völlig anders und baute umgehend Druck auf die neue Ministerin und ihren Staatssekretär auf. Der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner wünschte Spiegel und Kleemann viel Erfolg in den neuen Ämtern, monierte aber: „Wir hätten uns gewünscht, wenn es bereits jetzt zu einem personellen Neuanfang gekommen wäre. Auch mit dem Wechsel im rheinland-pfälzischen Umweltministerium ist diese Affäre der Landesregierung für uns noch lange nicht aufgeklärt.“ Im Beförderungsskandal gebe es weiterhin mehr Fragen als Antworten. Die CDU nahm auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer in die Haftung, diese Fragen aufzulösen. Die christdemokratische Fraktion im Mainzer Landtag wartet sehnsüchtig auf die Antwort auf eine Große Anfrage, die aufdröseln soll, ob es auch in der Staatskanzlei oder anderen Ministerien rechtswidrige Beförderungen gab.

Der Trierer Michael Frisch, Chef der Landes-AfD, äußerte Zweifel, ob „ausgerechnet Anne Spiegel“ geeignet sei, im Umweltministerium reinen Tisch zu machen. „Auch sie ist in der Vergangenheit durch ihr problematisches Verhältnis zum Rechts­staat aufgefallen.“ Fraglich sei auch, warum der Steuerzahler in den letzten Jahren zwei grüne Ministerinnen habe finanzieren müssen, wo es offensichtlich möglich sei, „beide Ämter in Personalunion zu führen“. Rund dreieinhalb Monate vor der Landtagswahl am 14. März 2021 befand Frisch: „Ich habe den Eindruck, dass diese Entscheidung in erster Linie dazu dient, der Spitzenkandidatin der Grünen eine zusätzliche Bühne im Wahlkampf zu verschaffen.“

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