Jubiläum 100-Tage-Bilanz: Karl Marx lockt viele Chinesen in die Hotels der Region

Trier/Mainz · Die Organisatoren ziehen nach 100 Tagen eine Zwischenbilanz und sind sehr zufrieden: 80 000 Menschen haben sich bislang in Trier die Ausstellungen angesehen. Und doch reicht Karl Marx nicht an Nero ran.

Von Florian Schlecht

Morde, Sex, Brandstiftung: Das Image, das dem römischen Kaiser Nero vorauseilte, lockte vor zwei Jahren massenhaft Menschen nach Trier. 270 000 Besucher strömten zur Nero-Schau, die der Region eine Wertschöpfung von mehr als neun Millionen Euro brachten. Geht es nach den nackten Zahlen, deutet sich bereits jetzt an, dass Nero die Ausstellungen zum Karl-Marx-Jubiläum deutlich abhängen dürfte.

In den ersten 100 Tagen zählen die Veranstalter 80 000 Besucher, die der Trierer Philosoph zu seinem 200. Geburtstag in die Stadt gelockt hat. Davon haben aber bloß 45 000 Gäste die reine Landesausstellung im Rheinischen Landesmuseum und im Stadtmuseum Simeonstift besucht.

Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsstaatssekretär Salvatore Barbaro (SPD) widersprach bei der 100-Tage-Bilanz in Mainz jedoch dem Eindruck eines enttäuschenden Starts. „Das ist eine gigantische Zahl“, sagte Barbaro. Er erwartet bis zum Ende der Landesausstellungen am 21. Oktober noch einen Besucherschub. „Wir haben bislang einen heißen Sommer, der viele Menschen eher ins Freibad zieht. Die Fußball-Weltmeisterschaft hat zusätzlich die Aufmerksamkeit erschwert“, meinte der Wissenschaftsstaatssekretär.

Immerhin: Kapital schwemmt der Trierer Sohn schon jetzt in die Region. Der Trierer Kulturdezernent Thomas Schmitt spricht davon, dass der Großteil der Ausstellungsbesucher nicht aus Trier und Umgebung komme und gerade bei chinesischen Touristen ein Zuwachs in der Region zu spüren sei. Hans-Albert Becker, Prokurist der Trier Tourismus und Marketing GmbH, geht von bis zu 20 Prozent mehr Besuchern aus, die die Stadt in diesem Jahr erwarten darf. Erste Zahlen bis Juli bestätigten das. Von Hoteliers gebe es Rückmeldungen, wonach die Buchungen sich auf einem ähnlich hohen Level bewegten wie bei früheren Ausstellungen in Trier.

Absatz findet Marx auch im Marketing. Der Null-Euro-Geldschein mit dem Konterfei des Philosophen sei bereits mehr als 100 000 Mal verkauft worden, sagt Becker. 500 Briefmarken hat die Tourist-Info nun geordert, auf der die Karl-Marx-Statue in Trier zu sehen ist – in China ist das Sammlerstück schon auf dem Markt.

Einer der Gewinner des Jubiläums ist auch das Karl-Marx-Haus, das im Mai mit einer Dauerausstellung wiedereröffnete. 29 000 Menschen besuchten seitdem das Geburtshaus des Denkers, wo es ansonsten 40 000 in einem ganzen Jahr sind, sagte Elisabeth Neu. „Für uns ist das eine Erfolgsstory.“

Die Ausstellungen bleiben umstritten. Während Barbaro es als Erfolg bezeichnet, dass Marx vom „Ballast der Ideologie“ befreit werde, spricht der Trierer AfD-Landtagsabgeordnete Michael Frisch „von einem Marx-Hype, der die dramatische Wirkungsgeschichte seines Schaffens“ weitgehend ausblende.

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