"2004 hab' ich noch mal gepackt"

TRIER. Seit Beginn der Aktion Da-Sein Mitte November begleiten wir den todkranken Robert Steinmann. Der 69-jährige Trier-Wester leidet an Lungenkrebs im Endstadium.

Wenn sich Robert Steinmann aufrichtet, kann er vom Bett aus durch das Seitenfenster in der heimischen Wohnung die Mariensäule sehen. An diesem kalten Januar-Morgen ist sie von einem Schneekranz bedeckt. Noch mal Schnee erleben, noch mal Weihnachten, noch mal ein neues Jahr: Dieses "noch mal" bestimmt das Leben eines Schwerkranken. "Immerhin, 2004 hab' ich noch mal gepackt", sagt Robert Steinmann. Gegenüber den Tagen vor Weihnachten wirkt er eine Spur munterer. Kinder und Enkel waren über die Feiertage zu Besuch, wie bei Millionen anderer Familien auch. Nur dass der Opa kaum mehr aufstehen kann. "Fünf Minuten am Tisch sitzen, dann ist er erschöpft", erzählt Frau Steinmann. "Das liegt am Sauerstoffmangel", erläutert Robert Steinmann sachkundig. Selbst die dauernde Zufuhr aus der Pressluftflasche kann die mangelnde Funktionsfähigkeit der Lunge nicht mehr ausgleichen. Dann fehlt die Kraft für elementare Dinge, Müdigkeit macht sich breit. So sind die Steinmanns auch an Silvester überm Fernsehprogramm eingeschlafen - um Mitternacht wurden sie von Knallern und Glockengeläut geweckt. "Früher waren wir raus feiern", erinnert sich Frau Steinmann. Aber da sei man ruhiger geworden, "schon lange vor der Krankheit". Was draußen herum passiert, darüber weiß Robert Steinmann immer noch bestens Bescheid. Nicht nur aus Zeitung und Fernsehen. An diesem Morgen sind alle Parkplätze in weitem Umkreis belegt. "Eine große Beerdigung", berichtet er, "da war doch diese halbseitige Todesanzeige im TV ". Ob er sich über seine Beerdigung auch schon Gedanken gemacht hat? "Ja klar", sagt Robert Steinmann, und es klingt so, als sei er verwundert, dass man nach einer solchen Selbstverständlichkeit fragt. Bescheiden hätte er es gerne gehabt, "am liebsten in einer anonymen Grabstätte". Aber das komme für seine Frau "überhaupt nicht in Frage", die wolle ein Familiengrab. "Sie können sich vorstellen, wie die Debatte ausgegangen ist", schmunzelt er. Es wird also eine Steinmann'sche Familiengrabstätte geben. Aber erst einmal gilt die ganze Energie der verbleibenden Lebenszeit. Sohn Peter war beim Arzt und in der Apotheke, neue Medikamente besorgen. "Ich erzähle dir nicht, wie viel ich zuzahlen musste, sonst regst du dich zu sehr auf", sagt er. Robert Steinmann ist Rentner und chronisch krank, bis zum 31. Dezember war er von Zuzahlungen befreit. Auch wenn die Mittel lebensnotwendig sind und die einzige Möglichkeit, den Kranken vor Höllenschmerzen bewahren: Im neuen Jahr sind Praxisgebühren und Zuzahlungen fällig, dank der Gesundheitsreform. Zwar gibt es aufs Jahr gesehen eine Höchstgrenze, aber schon in den ersten Tagen des Jahres ist erst mal ein Zehntel der monatlichen Rente von Robert Steinmann und seiner Frau weg. Wirksame Schmerzmittel und Medikamente zur Tumorbekämpfung sind teuer. Wen wundert's, dass die Steinmanns auf die Politik nicht besonders gut zu sprechen sind.

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