1. Mai Von Marx bis Mindestlohn: 800 Teilnehmer besuchen in Trier die Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Trier/Koblenz · Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes attackiert bei Kundgebung in Trier die große Koalition und die AfD.

 Mit Marx: Der rheinland-pfälzische DGB protestierte in diesem Jahr in Trier.

Mit Marx: Der rheinland-pfälzische DGB protestierte in diesem Jahr in Trier.

Foto: Florian Schlecht

Dietmar Muscheid lässt sich die Laune nicht so schnell verderben. Als der Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes um 11.45 Uhr auf der Bühne des Trierer Hauptmarktes steht, muss der 61-Jährige plötzlich laut gegen läutende Kirchenglocken anreden. Und doch hält Muscheid am vielleicht heiligsten Lob fest, das er den 800 Menschen bei der Mai-Kundgebung des Landesverbands kurz zuvor in der Moselmetropole machen konnte: „Trier ist die älteste Stadt Deutschlands. Hier kann ich es ja sagen, auch wenn ich jetzt bestimmt böse Briefe aus Worms bekomme ...“

Doch so sehr Muscheid zum Scherzen aufgelegt ist, da gibt es auch Dinge, über die er ganz und gar nicht lachen kann. Und die spricht er in Trier deutlich an, wo der DGB mit Essen, Musik und deutlicher Gesellschaftskritik aufwartet. Erst attackiert Muscheid die AfD, die das Karl-Marx-Jubiläum in den rheinland-pfälzischen Landtag brachte und vor den Folgen der Philosophen-Werke warnt. Marx sei nicht der jämmerliche Sozialismus anzukreiden, der in einigen Ländern existiere, ruft Muscheid, der die AfD „alles andere als eine Alternative“ nennt. „Sie ist eine ausländerfeindliche, nationalistische, rassistische Partei.“

Doch der DGB-Landeschef packt auch die große Koalition im Bund hart an. Wundern müsse sich niemand über die AfD-Wahlergebnisse, wenn trotz blühender Wirtschaftslage ein großer Teil von Menschen einen Bruttolohn von unter 2000 Euro verdiene – auch in der Region Trier. „Diese gar nicht mehr so große, sondern eher kleine große Koalition“, wie Muscheid in Anspielung auf die geschrumpften Wahlergebnisse der einst so mächtigen Riesen spöttelt, „muss endlich Antworten geben“. Antworten verlangt er bei der Agenda 2010. „Keine Frau, kein Mann darf 45 Jahre lang mit Folgen der Digitalisierung im Arbeitsleben konfrontiert werden und dann in die Mühlen von Hartz IV geraten, wo sie um alles fürchten müssen, was sie sich in ihrem Leben angespart haben“, sagt er unter lautem Applaus.

Muscheid fordert Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf, den Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen. Die schwarze Null in den Haushalten sei eine „Milchmädchenrechnung, die Regierungen nur noch zum Sparen nötige und Nachfolgegenerationen die Mammutaufgabe auferlege, einen riesigen Investitionsstau in Infrastruktur aufzuarbeiten, klagt Muscheid. Auch die betriebliche Mitbestimmung fordert er stärker ein – und Zusammenhalt in Betrieben. „Wir treten zusammen füreinander ein. Da spielt es keine Rolle, welche Hautfarbe oder Nationalität jemand hat.“

Bei dem Satz klatscht auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die bei den kühlen Temperaturen schnell eine Daunenjacke anzog, „die ich immer im Auto habe“, wie sie augenzwinkernd erzählt. Auf der Bühne verdeutlicht Dreyer, dass ihr der digitale Wandel der Arbeitswelt ein Anliegen ist. Angesichts von Amazon und Co. stellt Dreyer klar: „Wir leben hier in einer Stadt mit einem wunderbaren Einzelhandel, der in die Schönheit von Trier investiert. Ich kaufe nicht online, sondern lieber in einem guten Laden.“ Doch auch die Ministerpräsidentin weiß, dass nicht alle so ticken – und es Absicherung für Arbeiter der digitalen Welt benötige. „Dafür brauchen wir Gewerkschaften, das sage ich ganz deutlich.“

Niedrige Löhne, wie von Muscheid gescholten, sieht auch die Landeschefin als Problem. Und doch sieht sie Lösungen mit der großen Koalition. Wie beim Recht auf befristete Teilzeit, wodurch besonders Frauen künftig leichter in Vollbeschäftigungen zurückkehren sollen. In der Pflege pocht Dreyer wiederum auf flächendeckende Tarifverträge, „um dort endlich gerechte Zahlung zu verwirklichen“. Die große Koalition verteidigt Dreyer. „Es war keine Traumhochzeit, aber manchmal muss man Kompromisse eingehen. Ich sehe die Erfolge.“

Nach den Reden geht es dann ohnehin entspannter zu. James Marsh, DGB-Bezirkschef von Trier, schwärmt von dem Fest („Der Hauptmarkt ist das Herz von Trier“), Dietmar Muscheid gönnt sich ein Bier. Und die Glocken, sie haben da längst aufgehört zu läuten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort