86.000! Nie waren in der Region Trier mehr Menschen von Armut bedroht

Trier · Immer mehr Menschen sind arm oder von Armut bedroht. Das beklagen Sozialverbände übereinstimmend mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Demnach müssen sich in der Region 86.000 von 520.000 Einwohnern bei Essen, Bekleidung oder Freizeitgestaltung einschränken.

 Zurück in den Arbeitsmarkt. Qualifizierungsmaßnahmen wie beim Bürgerservie Trier machen das möglich.

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Foto: Rainer Neubert

Armut spielt sich oft im Verborgenen ab. Im Aktionsbündnis "Aktiv gegen Armut" haben sich in Trier deshalb 32 Institutionen, Parteien, Vereine und Initiativen zusammengeschlossen, um auf ein Problem hinzuweisen, das trotz florierender Wirtschaft nicht kleiner wird. "Die Mitarbeiter der Freien Wohlfahrtspflege erfahren in ihrer täglichen Arbeit, dass es in unserer Region viele Menschen gibt, die in unterschiedlicher Weise von Armut betroffen sind", sagt Andreas Schäfer vom Caritasverband Trier. "Viele von ihnen können kaum am öffentlichen oder kulturellen Leben teilhaben."

Als arm oder von Armut bedroht gelten Menschen, denen weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung stehen. In Rheinland-Pfalz waren das 2014 für einen Ein-Personen-Haushalt 942 Euro im Monat. 86.000 Menschen liegen aktuell in der Region Trier unter dieser Marge.

Mahnende Worte findet deshalb auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): "Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander", ist Gewerkschaftssekretär James Marsh überzeugt. Er verweist auf eine aktuelle DGB-Studie, wonach die Armutsgefährdung vor allem für Erwerbslose, Geringqualifizierte, Alleinerziehende und Menschen über 65 Jahre im Vergleich zu 2005 deutlich gestiegen ist.

Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt auch der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem Armutsbericht. Das gute Wirtschaftsjahr 2014 habe zu keinem nennenswerten Rückgang der Armutsquote in Deutschland geführt. Jedes fünfte Kind gilt demnach als arm, wobei die Hälfte der armen Kinder in Haushalten Alleinerziehender lebt.
Besonders groß ist das Problem in den Städten. Um für Trier exakte Daten zu erhalten, soll im Sommer die Forschungsarbeit für einen Sozialatlas beginnen.

Mitverantwortlich dafür ist der Trierer Soziologieprofessor Rüdiger Jacob, dem bei anderen Forschungsprojekten auch die Armut auf dem Land begegnet ist. "Die ist dort aber nicht so sichtbar wie in der Stadt", sagt er. "Da besitzen viele ältere Menschen zwar ein Häuschen. Anfangen können sie damit aber nichts. Und das Rentenniveau ist auch dort niedrig."

Der DGB macht vor allem politische Entscheidungen der vergangenen 20 Jahre für die Not so vieler Menschen verantwortlich. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors führe insbesondere bei Geringqualifizierten und Berufseinsteigern zu teils massiven Lohnverlusten, die oft nicht mehr aufzuholen seien.Mehr zum Thema

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Foto: TV-Grafik: Birgit Keiser

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