Gesundheit An vielen Grundschulen der Region gibt’s keinen Schwimm-Unterricht

Trier/Mainz · Die Lebensrettergesellschaft warnt davor, dass künftig mehr Menschen ertrinken könnten. Die Kommunen klagen, dass sie nicht genug Geld für den Erhalt von Bädern haben.

Von Florian Schlecht

Wenn im Sommer die Sonne auf der Haut brennt, bereitet ein Sprung ins kalte Nass Vergnügen – ob im Freibad oder am See. Doch wer nicht sicher schwimmen kann, für den kann Wasser gefährlich sein. Bundesweit ertranken im vergangenen Jahr mindestens 404 Menschen, davon 17 in Rheinland-Pfalz. Und Marco Vogt vom Landesverband der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) befürchtet: „In einigen Jahren werden wir ein Land von Nichtschwimmern sein, wodurch sich das Risiko des Ertrinkens deutlich erhöhen wird.“

Der Lebensretter bezieht sich dabei auf eine bundesweite Umfrage, nach der fast 60 Prozent aller Zehnjährigen schon jetzt nicht sicher schwimmen können. Vogt führt das darauf zurück, dass es Schwimm-Unterricht an manchen Schulen gar nicht mehr gibt. Neue Zahlen aus Rheinland-Pfalz geben ihm recht.

Danach hat es im vergangenen Schuljahr an 335 von 962 Grundschulen im Land keinen Schwimm-Unterricht gegeben, was mehr als jede dritte Schule ist (34,8 Prozent). Im Aufsichtsbezirk Trier war Schwimm-Unterricht in 83 von 219 Grundschulen (38 Prozent) völlige Fehlanzeige. Die Ergebnisse gehen aus der Antwort des Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Besonders der ländliche Raum ist von den Ausfällen betroffen, die Vogt „fahrlässig und verantwortungslos“ nennt. Der Lebensretter appelliert, dass „das Schwimmbad-Sterben endlich aufhören muss, um Flächen zum Lernen zu erhalten“.

In 90 Prozent aller Fälle von Grundschulen ohne Schwimm-Unterricht, so heißt es vom Bildungsministerium, seien fehlende Wasserzeiten und Badkapazitäten der Grund. Eveline Dziendziol, Sprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier,  sagt: „Eine besondere Herausforderung in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz ist die Maßgabe, dass nicht überall Schwimmbäder in erreichbarer Nähe vorhanden sind. Hier muss jede einzelne Schule überlegen und entscheiden, welcher Zeitansatz für die Fahrt zum nächstgelegenen Schwimmbad pädagogisch vertretbar ist, damit nicht übermäßig viel wertvolle Lernzeit für die Hin- und Rückfahrt zum und vom Schwimmbad verbraucht wird.“ Zu berücksichtigen sei, dass der Schulträger die Fahrtkosten zu weiter entfernten Bädern tragen müsse.

Ziel der Landesregierung ist es wiederum, mehr Schwimm-Unterricht zu ermöglichen, antwortet Bildungsstaatssekretär Hans Beckmann (SPD) dem AfD-Abgeordneten Paul. Beckmann kündigt darin Gespräche mit Gebietskörperschaften an. Um marode Bäder am Leben zu halten, legt die Landesregierung ein Sanierungsprogramm auf, in dem ab 2020 jährlich 5,2 Millionen Euro zur Verfügung stehen sollen. Ob das reicht, halten Experten für äußerst fraglich: Bundesweit wird der Sanierungsstau in den Bädern auf bis zu 15 Milliarden Euro geschätzt.

Die Kommunen, die für den Bau und Erhalt der Bäder zuständig sind, schreien nach Hilfe. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Städte- und Gemeindebundes, warnt, dass Kommunen weit unterfinanziert seien und Bäder schließen müssten, um ihre Haushalte zu decken. „Das Land leistet schlechte Arbeit für die Kommunen“, kritisiert der Ex-Bürgermeister von Konz.

Auch CDU-Mann Martin Brandl fordert von der Ampelkoalition, den Kommunen mehr unter die Arme zu greifen, damit mehr Grundschulen Schwimm-Unterricht anbieten können. Joachim Paul wirft der Ampelkoalition vor, den „ländlichen Raum jahrelang vernachlässigt zu haben“, und schlägt vor, nötige Transfermöglichkeiten zu schaffen, um den Unterricht für die Kinder sicherzustellen. Lehrer und Eltern fordern mehr ausgebildete Kräfte, um Schulen zu entlasten.

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