Trier Antisemitismus-Experte warnt: Judenhass in der Gesellschaft wächst

Trier · Der Wittlicher Dieter Burgard spricht von tätlichen Angriffen und Mobbing in Schulen. In der Pogromnacht vor 80 Jahren starben Menschen und brannten Synagogen – auch in der Region.

Überall im Land – und auch in der Region Trier – finden heute Mahn- und Gedenkstunden anlässlich der Pogromnacht von 1938 statt. Hier liegt vor Beginn einer Mahnstunde an der Stelle der ehemaligen Synagoge in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) ein Davidstern auf dem Platz. Zu der Veranstaltung eingeladen haben dort der Arbeitskreis "9. November 1938" und die Jüdische Gemeinde.

Überall im Land – und auch in der Region Trier – finden heute Mahn- und Gedenkstunden anlässlich der Pogromnacht von 1938 statt. Hier liegt vor Beginn einer Mahnstunde an der Stelle der ehemaligen Synagoge in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) ein Davidstern auf dem Platz. Zu der Veranstaltung eingeladen haben dort der Arbeitskreis "9. November 1938" und die Jüdische Gemeinde.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Der rheinland-pfälzische Antisemitismus-Beauftragte Dieter Burgard warnt vor einer wachsenden Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft. „Antisemitismus nimmt immer mehr zu in Zeiten, in denen Rechtspopulisten aktiver werden“, sagt Burgard.

Der Wittlicher spricht von tätlichen Angriffen, Hakenkreuz-Schmierereien auf jüdischen Friedhöfen und Hetze. Sorgen bereite ihm der Ton in sozialen Netzwerken, wo es vermehrt zu antisemitischen Beleidigungen komme. In manchen Schulen nutzten Jugendliche „Jude“ als Schimpfwort. Ein gemobbtes Kind aus Israel habe die Schule wechseln müssen. Burgard ist dafür, Lehrer stärker fortzubilden, Schüler im Unterricht aufzuklären und direkte Begegnungen zu schaffen.

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„Die schrecklichen Ereignisse der deutschen Geschichte dürfen sich nie mehr wiederholen“, sagt er angesichts der Reichspogromnacht vor 80 Jahren. Die Nazis töteten dabei mehr als 1300 Menschen, verschleppten 30 000 Juden in Konzentrationslager, demolierten 7500 jüdische Geschäfte und brannten gut 1400 Synagogen nieder. Auch in der Region starben Menschen, lagen Gebetshäuser und Wohnungen in Schutt und Asche.

Rund 1200 Juden lebten damals im Regierungsbezirk Trier. Heute gehören noch 466 Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Trier an, die in der Region die einzige verbliebene ist, so die Vorsitzende Jeanna Bakal. „Ich gehe nicht davon aus, dass sich die furchtbare Geschichte wiederholt, weil die Gesellschaft inzwischen zivilisierter ist“, sagt die Triererin. Dennoch wachse bei Gemeindemitgliedern die Angst, wenn in Berlin Kippa-Träger attackiert würden, meint Avadislav Avadiev, Landeschef der jüdischen Gemeinden. Er sei froh, dass es in Rheinland-Pfalz viel friedlicher zugehe. Bakal sagt, sie vernehme in der Region fast nie Drohungen.

In Rheinland-Pfalz gab es im vergangenen Jahr 22 antisemitische Straftaten. „Sorge macht mir, was im Internet an Hass gegen jüdische Bürger verbreitet, was auf der Straße bei Demonstrationen gebrüllt wird und dass Jude als Schimpfwort benutzt wird“, warnt Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Als erstes Bundesland setzt Rheinland-Pfalz seit Mai auf einen Antisemitismus-Beauftragten. Insgesamt 300 000 Euro speist das Land in den kommenden beiden Jahren neu in den Haushalt ein, um Gedenkarbeit weiterzuentwickeln. An Fördervereine in Osthofen, Hinzert und Neustadt sollen 2019 und 2020 185 000 Euro fließen.

Das Bildungsministerium will die Erinnerungsarbeit an Schulen ausbauen. Nach dem Verfassungsschutzbericht kann Antisemitismus rechte, linke und islamistische Hintergründe haben. Avadislav Avadiev schlägt daher vor, auch in Integrationskursen die Geschichte der Juden in Deutschland zu lehren.

In der Region gedenken Menschen heute in vielen Veranstaltungen der Opfer der Pogromnacht. „Diese Katastrophe ist menschlich unfassbar. Sie muss unvergesslich bleiben, um mit diesem Wissen die Menschenwürde in der heutigen und zukünftigen Demokratie zu schützen“, fordert Regierungschefin Dreyer.

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