Archiv 2019 „Antisemitismus ist wieder salonfähig geworden“

Trier · Die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich spricht beim Besuch im TV über Rassismus, das falsche Bild, das die Deutschen von ihrem Land haben, und dass jeder Jugendliche nach Israel reisen sollte.

 Sandra Simovich, Generalkonsulin des Staates Israel, im Redaktionsgespräch beim Trierischen Volksfreund. Links TV-Chefredakteur Thomas Roth, rechts Chefreporter Bernd Wientjes.

Sandra Simovich, Generalkonsulin des Staates Israel, im Redaktionsgespräch beim Trierischen Volksfreund. Links TV-Chefredakteur Thomas Roth, rechts Chefreporter Bernd Wientjes.

Foto: Rainer Neubert

Dass Rheinland-Pfalz mit Dieter Burgard seit Mai vergangenen Jahres einen Antisemitismusbeauftragten habe, sei ein wichtiges Zeichen; damit zeige das Land, dass es die Probleme, die es noch immer und derzeit wieder verstärkt mit Antisemitismus gebe, ernst nehme, sagt Sandra Simovich. Die 44-Jährige ist seit Ende 2017 israelische Generalkonsulin in München. Sie repräsentiert Israel in den deutschen Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz.

Die Generalkonsulin, in Rumänien geboren und mit 25 Jahren in den diplomatischen Dienst Israels aufgenommen, kämpft vor allem gegen das falsche Bild, das in ihren Augen viele Deutsche von ihrem Land haben. Israel sei schön, es gebe nicht nur Konflikte, militärische Auseinandersetzungen und Terror. Es sei ein modernes, weltoffenes Land.

Simovich ist überzeugt, dass auch der Eurovision Songcontest, der im Mai in Israel ausgetragen wird, dazu beitragen wird, ein anderes, positiveres Bild von ihrem Land zu zeigen.

Die Generalkonsulin wünscht sich, dass jeder deutsche Jugendliche nach Israel reist, um das Land kennenzulernen – und dann anders darüber zu denken. Und um sich davon zu überzeugen, dass ein Großteil der israelischen Bevölkerung in Frieden lebt und sich Frieden mit allen seinen Nachbarn wünscht.

Dann, so ist die Mutter zweier Kinder überzeugt, werde es auch weniger Israelkritik in Deutschland geben. Und vielleicht auch weniger Antisemitismus. Denn beide Phänomene stünden miteinander in Verbindung. Dabei betont Simovich, dass sie die Judenfeindlichkeit nicht als ein rein deutsches, sondern als europäisches Problem begreift. Gleichwohl bereitet ihr Sorge, dass sich gerade in Deutschland wieder mehr Menschen trauten, sich antisemitisch zu äußern.

Ein Teil des Problems, so analysiert Simovich im Redaktionsgespräch beim Trierischen Volksfreund, seien sicherlich die nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Nicht selten importieren diese Menschen ihr Israel-Feindbild, ohne jemals einen Israeli oder Juden getroffen zu haben. Und sie differenzieren auch nicht zwischen ihnen. Simovich: „Als Generalkonsulat versuchen wir daher mit Geflüchteten zu arbeiten, um diese negativen Vorbehalte hoffentlich zu ändern.“ Aber auch die zunehmenden rechtsextremistischen Tendenzen in der deutschen Gesellschaft hätten dazu geführt, dass Antisemitismus wieder salonfähig geworden sei, meint die Generalkonsulin.

In diesem Zusammenhang kritisiert Simovich scharf die AfD, die „klar antisemitisch“ und rassistisch sei. Mit allen anderen Parteien in Deutschland habe das Generalkonsulat gute und enge Kontakte – nicht aber mit der AfD. Viel lieber als über Rassismus und antijüdische Stimmung redet die Diplomatin, die 2014 politische Beraterin an der israelischen Botschaft in Berlin war und davor vier Jahre lang Israel in Menschenrechtsfragen bei den Vereinten Nationen vertreten hat, über deutsch-israelische Freundschaften, über Schüler- und Jugendaustausch, über Studentenprojekte. Darüber, dass es in Israel viele junge Start-up-Unternehmen gibt, die gerne mit deutschen Studenten und Unternehmen zusammenarbeiten würden.

Simovich verweist in diesem Zusammenhang auf die guten Beziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und Israel und erwähnt die für Februar geplanten Israel-Reisen des Mainzer Wirtschaftsministers Volker Wissing (FDP) sowie des Tourismusausschusses des rheinland-pfälzischen Landtags. Im vergangenen Jahr hatte die Mainzer Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gemeinsam mit ihrem saarländischen Kollegen in Israel eine Absichtserklärung zur Gedenkstätte Yad ­Vashem­ in Jerusalem unterzeichnet, um die Erinnerungsarbeit an Schulen weiter voranzutreiben.

Spricht man die Diplomatin auf die israelische Siedlungspolitik und den Konflikt mit den Palästinensern an, verweist sie auf die wieder zunehmenden Anschläge der Palästinenser auf die israelische Zivilbevölkerung. Und hebt die Operation „Gute Nachbarschaft“ hervor, mit der kranke Syrer („Syrien ist für Israel Feindesland.“) in israelischen Militärhospitälern kostenlos behandelt werden. Das solle ein Beitrag gegen die antiisraelische Stimmung in dem Nachbarland sein. Einen dieser Syrer, der in Israel behandelt wurde, habe sie kürzlich zufällig in München getroffen. Er sei dort Friseur und habe ihrem Sohn die Haare geschnitten.

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