App und Steine gegen das Vergessen

Trier · Der "Schlächter von Lyon", Klaus Barbie, hat in Trier sein Abitur gemacht - an der gleichen Schule wie Karl Marx und Oswald von Nell-Breuning. Die Verbrechen des brutalen SS-Verbrechers hat unter anderem der Arbeitskreis "Trier im Nationalsozialismus" öffentlich gemacht. Seit 25 Jahren informiert er über Täter und vor allem über die Opfer.

Petra Gouverneur, Thomas Zuche und Thomas Kupczik (von links) halten das Geschehen während des Nazi-Terrors in Trier in der Erinnerung der Menschen wach, auch um heutigen rechtsextremistischen Bestrebungen entgegenzuwirken. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Petra Gouverneur, Thomas Zuche und Thomas Kupczik (von links) halten das Geschehen während des Nazi-Terrors in Trier in der Erinnerung der Menschen wach, auch um heutigen rechtsextremistischen Bestrebungen entgegenzuwirken. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. "Die NSDAP, die Partei von Adolf Hitler, war gegen Juden und hat sie vergasen lassen", erzählt Johannes. Der Zehnjährige erfuhr in Gemeinschaftskunde über die Gräuel im Nationalsozialismus. Dass diese heute noch, 68 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im Bewusstsein sind, dafür sorgt seit 25 Jahren auch der Arbeitskreis (AK) "Trier im Nationalsozialismus" der AG Frieden in Trier.
"Mir ist aufgefallen, dass auch Kinder das mitbekommen, etwa weil der Opa davon erzählt", sagt AK-Mitglied Petra Gouverneur. "Aber sie fangen oft nur Fetzen auf, die sie nicht verarbeiten können." Deshalb hat die Lehrerin vergangenes Jahr mit einer dritten Klasse der Grundschule St. Johann Konz-Karthaus die Verlegung von Stolpersteinen in Trier begleitet. Die 26-Jährige lernte den AK im Rahmen ihrer Examensarbeit über das Stolpersteinprojekt in Trier kennen. Die Kinder hätten den Kern, der hinter den Schicksalen steckt, verstanden, "die Ungerechtigkeit, dass jemand ausgegrenzt wird. Und das ist aktuell."Tausende bei Rundgängen dabei


6000 Menschen sind beim Mahngang am 9. November 1993 von der Porta Nigra zur Stele der alten Synagoge gezogen. An dieses Ereignis kann sich Thomas Kupczik gut erinnern - kurz zuvor trat er seinen Friedensdienst an. "Ich habe lange die Stadtrundgänge und immer wieder Zeitzeugengespräche geführt", sagt der 51-Jährige. 2012 war er in Israel und besuchte eine Trierer in, die 1936 als 16-Jährige emigriert war. Der AK bezieht auch Position gegen Neonazismus vor dem Stadtrat und auf der Straße.
Die Mutter habe ihm als Kind von den Schicksalen der Behinderten im Dritten Reich erzählt, der Vater sah die grauen Busse am Brüderkrankenhaus wegfahren, nennt Thomas Zuche (54) seine Motivation, den AK 1988 mit drei Mitstreitern zu gründen. Im ersten Flyer, teils noch handgeschrieben, kritisierten sie, dass die römischen Bauten "den Trier ern näher zu sein scheinen als jüngere Epochen. Vor allem die braune Vorzeit scheint in Trier blässlich-grau." Schon damals beschäftigt sich der AK mit den Tätern, den Opfern, dem Widerstand, aber auch den Kriegsvorbereitungen.
Die Themen sind geblieben, doch der AK hat den Opfern ihre Namen, ihre Geschichte, wiedergegeben - in Ausstellungen, Filmen, Vorträgen und in Form von 146 Stolpersteinen, die seit 2005 in der gesamten Stadt verlegt wurden. 2007 starten die ersten Rundgänge.
"Inzwischen sind es einige Hundert mit einigen Tausend Teilnehmern", weiß Zuche. Demnächst könne man mit dem Smartphone und der Stolperstein-App durch die Stadt gehen, berichtet Kupczik. Entwickelt haben sie Mediendesign-Studenten der Hochschule. Einmalig sei, dass man nicht nur einen Stolperstein anwählen, sondern einen fertigen Rundgang mit Themen wie Juden oder Frauen unternehmen kann.
"Hitler hat versucht, diese Menschen vom Erdboden verschwinden zu lassen", sagt Gouverneur. Durch die Stolpersteine würden sie wieder lebendig. "Die Kinder fanden es interessant, dass damit Hitlers Intension gegengespielt wird."Extra

8. Mai 1985: erster Rundgang der AG Frieden zu Stätten der "NS-Verfolgung und des Widerstands in Trier". 4. Oktober 1988: Gründung des AK "Trier im Nationalsozialismus". 1993: erster Stadtrundgang. 1996: Herausgabe des Buchs "Stattführer". 2005: Erste Stolpersteine werden verlegt; erste Rede bei einer Kundgebung gegen einen Neonazi-Aufmarsch; Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit. 2007: erster Stolpersteinrundgang 2008: Broschüre "Stolpersteine erzählen" - Neuauflage geplant; Veranstaltungsreihe zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht mit Lichtinstallation am Rindertanzplatz und Vorträgen. 2013: Broschüre "Arisierung jüdischer Gewerbebetriebe in der Region Trier". 10. November 2013: Veranstaltung zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht. 14. Januar - 7. Februar 2014: Ausstellung und Rahmenprogramm "Es lebe die Freiheit! - Junge Menschen im Widerstand gegen den NS". Dazu Vorträge, Ausstellungen, Lesungen, Filme, Betreuung von Zeitzeugen, Unterstützung regionaler Initiativen, Beantwortung von Anfragen aus dem Stadtarchiv, Rundgänge mit Themen wie der Überfall auf Luxemburg, Hans Aiden, Trierer Kirchen in der NS-Zeit, Menschen, die als "asozial" verfolgt wurden. mehi

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