Betonsarg auf dem Fluss

IDAR-OBERSTEIN. (kuk) Die Gegner sprachen von einer "gigantischen Scheußlichkeit", die Befürworter von einem Jahrhundertbauwerk: Die Nahe-Überbauung in Idar-Oberstein wird in Kürze 20 Jahre alt.

Seit gestern wird auf der Nahe-Überbauung wieder gebaut: Bis voraussichtlich Ende August soll die Fahrbahndecke ausgebessert werden, wobei abschnittsweise jeweils zwei Fahrspuren gesperrt werden. Zum 20-jährigen Bestehen soll sie sich in Topzustand präsentieren: Am 24. September 1986 war das Jahrhundertbauwerk eingeweiht worden. Mit einer Ausstellung im Stadthaus wird dieses besondere Jubiläum gewürdigt. An vorderster Front mit dabei war einst Robert Kämpf, der als Bauleiter für das damalige Straßenneubauamt Bad Kreuznach die sechs Jahre und zwei Monate dauernden Arbeiten koordinierte und überwachte. Ihn freut, dass auch nach 20 Jahren noch keine Mängel aufgetreten sind - abgesehen von den Spurrillen auf der Fahrbahn, die jetzt beseitigt werden. Der Verkehr läuft dann auf den Teilstücken, die ausgebessert werden, auf zwei Fahrspuren im Gegenverkehr. An einzelnen Tagen, so kündigt der Landesbetrieb Straßen und Verkehr Bad Kreuznach an, geht's in Richtung Birkenfeld vor dem Altenberg-Tunnel durch den Gewerbepark Nahetal über die alte B 41 zum Schönlautenbach-Knoten. Die Vorbereitungen für die Ausstellung mit vielen Fotos, Dokumenten und Zeitungsberichten aus der Entstehungsgeschichte haben bei Robert Kämpf viele Erinnerungen an "sehr interessante und sehr arbeitsintensive Jahre" geweckt. Die Idar-Obersteiner, die jeden Arbeitsschritt aufmerksam verfolgten, nahmen kein Blatt vor den Mund: "Wir waren hautnah mit den Reaktionen konfrontiert", blickt der Diplom-Ingenieur mit einem Schmunzeln zurück. 267 Millionen Mark kostete die 1875 Meter lange Überbauung, an der insgesamt 70 Firmen beteiligt waren. Bei der Eröffnung der Sonderschau am Freitag, 22. September, im Stadthaus wird der 59-Jährige auch einige der Weggefährten von einst wiedersehen. Darunter Oberbürgermeister Erwin Korb, der wie seine Nachfolger Otto Dickenschied und Hans Jürgen Machwirth zur umstrittenen Überbauung des Flusses steht. "Ich würde es jederzeit wieder genauso machen", hat der Alt-OB, der sich mit massiver Kritik von Bürgern, vor allem aber von überregionalen Medien konfrontiert sah, wiederholt bekundet.Stadt in zwei Teile zerschnitten

Der "Betonsarg für die Perle", wie die Süddeutsche Zeitung 1981 titelte, machte die Fußgängerzone in Oberstein möglich. Vorbei waren damit die Zeiten, in denen sich der gesamte Verkehr einschließlich LKW und Militärfahrzeugen durch die enge Hauptstraße wälzte und die Fußgänger ganz an den Rand drängte. Mit Genugtuung beobachteten die Befürworter nach der Einweihung, dass die meisten Bürger mehr und mehr die Vorteile des 22 bis 25 Meter breiten "Deckels" sahen. Mehr als 100 000 Pflanzen sorgten zudem für viel Grün auf dem Beton. Einzelne Kritiker aber bedauern nach wie vor, dass andere Alternativen seinerzeit nie ernsthaft geprüft worden seien. Außerdem verweisen sie darauf, dass die Nahe-Überbauung, der viele alte Gebäude zum Opfer fielen, Oberstein in zwei Teile zerschnitten hat.

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