Böses Erwachen nach Biogas-Boom

BITBURG. Bauernhöfe geben auf, Flächen fallen brach, und die Kulturlandschaft in Eifel und Hunsrück steht vor dem Aus? Dieses Szenario ist inzwischen hoffnungslos veraltet. Eingetreten ist das Gegenteil: In Teilen der Region wird das Land knapp, die Pachtpreise steigen. Grund ist der Boom von Biogas-Anlagen.

Milch, Fleisch, Getreide - in den klassischen Märkten wird es für Landwirte immer schwieriger, Geld zu verdienen. Die Förderung regenerativer Energien kam ihnen gerade recht. Der Bau von Anlagen, in denen aus Rohstoffen wie Pflanzen und Gülle Gas erzeugt und daraus schließlich Strom gewonnen wird, boomt. Unterstützt durch Zuschüsse, billige Kredite und einen garantierten Festpreis zur Einspeisung des erzeugten Stroms ins Netz setzten immer mehr Bauern auf die Energiegewinnung. 100 Hektar Land für eine Anlage

Zu viele, meint Arno Billen, der in Kaschenbach (Kreis Bitburg-Prüm) eine Biogas-Anlage betreibt. "Die Pachtpreise werden steigen, weil einige Landwirte überdimensionierte Anlagen gebaut haben." Das heißt: Sie brauchen mehr Biomasse - in erster Linie Mais -, als auf ihrem eigenen Land wachsen kann. Die Folge ist ein Kampf um Land und Rohstoffe. "Im Raum Arzfeld sind die Preise schon jetzt gestiegen", berichtet Billen. Er prophezeit ein "Riesenproblem für den gesamten Kreis Bitburg-Prüm". Dort sind bisher fast 50 Biogas-Anlagen gebaut worden - während es in der gesamten Region 60 und Rheinland-Pfalz-weit 70 sind. Diese Zahlen nennt Alfred Lorenz, Leiter der Abteilung Agrarwirtschaft beim Dienstleistungszentrum ländlicher Raum (DLR) in Bitburg. "Für eine Biogas-Anlage braucht man im Durchschnitt 100 Hektar Land. Macht bei 50 Anlagen 5000 Hektar", rechnet Lorenz vor. Bei 6000 Hektar Silomais und 14 000 Hektar Getreide im Kreisgebiet seien 50 Biogas-Anlagen damit prinzipiell gut zu verkraften - vor allem, weil der Getreideanbau zurückgehe. "Das Problem ist, dass sich die Anlagen in bestimmten Regionen konzentrieren." Zu diesen Gebieten zählten Teile der Verbandsgemeinde Arzfeld und der Raum Niederstedem/Kaschenbach. Auch in der Umgebung von Pickließem und Oberkail werde es allmählich eng, sagt Lorenz. "Da darf keine Anlage mehr dazukommen." Dass die EU ihre Subventionen inzwischen an die Fläche statt an die Produktionsmenge koppelt und so Nebenerwerbslandwirte ihre Wiesen und Felder halten statt sie zu verpachten, macht die Situation nicht einfacher. Biogas-Betriebe versuchen bereits, möglichst zwei Ernten pro Jahr einzufahren. Auch Michael Horper, Chef des Bauernverbands im Kreis Bitburg-Prüm und selbst Betreiber einer Biogas-Anlage, fürchtet Probleme. "Der Trend zu steigenden Preisen ist da. Und er ist gefährlich." Viele Betreiber von Biogas-Anlagen hätten knapp kalkuliert. Höhere Pacht- und Rohstoffpreise könnten sie schnell ins Wanken bringen. "Das Risiko, unwirtschaftlich zu sein, ist bei Biogas-Anlagen noch höher als in der Viehwirtschaft", erklärt Horper. Schon jetzt schrieben längst nicht alle Biogas-Anlagen schwarze Zahlen, berichtet Arno Billen. Alfred Lorentz erzählt gar von einer Studie, nach der Biogas-Betriebe im Durchschnitt keinen Gewinn einfahren. Doch nicht nur Biogas-Betriebe leiden unter den steigenden Pachtpreisen. Vor allem Milchbauern machen sie das Leben schwer. Um Konflikte zu vermeiden, plädiert Bauern-Chef Horper für ein kluges Flächenmanagement und eine enge Kooperation: Biogas-Bauern sollten ihren traditionellen Kollegen deren Ernte-Überschuss abnehmen. "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Wenn es Streit gibt, bekommen wir alle Probleme." Von den Behörden ist derweil kein Baustopp für Biogas-Anlagen zu erwarten. Man könne allenfalls aus Emissions-Gründen einschreiten, sagt Rudi Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm. "Die Landwirte müssen schon selbst gucken."

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