Rheinland-Pfalz Was bringt eine Kommunalreform?

Wittlich/Bitburg/Mainz · Der Kontakt zu Menschen leidet, warnen regionale Bürgermeister. Befürworter sagen, Kommunen könnten Schulden abbauen und mehr investieren. Auch im Land bleiben Fronten verhärtet.

Ein Aufkleber  „Kommunale Selbstverwaltung – Gebietsreform (durchgestrichen)“ klebt an einer Hauswand. 

Ein Aufkleber  „Kommunale Selbstverwaltung – Gebietsreform (durchgestrichen)“ klebt an einer Hauswand. 

Foto: TV/Martin Schutt

 Bei der Kommunalreform sind die Fronten zwischen Land und Opposition weiter verhärtet. Die CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag will mit der Ampelkoalition nur über freiwillige Gebietsreformen reden. „Zwangsfusionen wird es keine geben“, sagte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf in Mainz. Er bekräftigte die Forderung nach einem Gutachten, das die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kommunen untersuchen soll.

Zwei Gutachter stellten den Fraktionen am Montag ihre Vorschläge für eine Kommunalreform vor, über die der TV bereits berichtet hat. Die Experten empfehlen unter anderem, dass die Zahl der Kreise von 24 bis 14 sinkt. Bitburg-Prüm und der Vulkaneifel sollen danach verschmelzen, genauso wie Bernkastel-Wittlich und Cochem-Zell. Ortsgemeinden miteinander zu fusionieren, wie von den Gutachtern angeregt, lehnt CDU-Fraktionschef Baldauf ab. „Sie werden bei uns nicht angetastet“, sagt er. Das sieht Innenminister Roger Lewentz (SPD) wiederum genauso.

Kritiker von Kommunalreformen zweifeln an, ob sich am Ende alle Versprechen erfüllen. Dennis Junk ist Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wittlich-Land, die 2014 mit Manderscheid fusionierte. Er lobt zwar, wie alle Partner in der Kommune zusammenarbeiten. Doch Einsparungen oder Personalabbau erkennt er nicht. Im Gegenteil: „Aufgaben sind gewachsen, weswegen wir mehr Stellen haben als vor fünf Jahren“, sagt Junk. Für Einwohner ändern sich die Fahrten zum Amt. Das Bürgerbüro in Manderscheid soll ab dem 1. Januar 2019 nur noch einmal in der Woche öffnen. An anderen Tagen müssen die Bewohner der Verbandsgemeinde nach Wittlich fahren. Im Nachteil seien Menschen in abgelegenen Dörfern, weiß der CDU-Politiker. Ohne den Bürgerbus in der Verbandsgemeinde seien die Wege für Senioren ohne Auto kaum zu schaffen. Und auch Junk packt es in der Kommune mit 45 Gemeinden nicht, jeden Ort mindestens einmal im Jahr zu besuchen, wie er es sich wünscht. „Der Kontakt zu Bürgern leidet, weil der Kalender voller Termine ist“, sagt Junk.

„Die Effekte halten sich bei uns in der Waage“, sagt Moritz Petry, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Südeifel. Der CDU-Mann sieht in der einstigen Fusion von Irrel und Neuerburg einen großen Vorteil: „Größere Verwaltungen können die Digitalisierung besser bewältigen.“ Altschulden seien von 17 auf 13,5 Millionen Euro gesunken. Das führt Petry aber nicht auf die Fusion zurück, sondern auf die glänzende Wirtschaftslage. Doch auch er hadert: „Es ist kaum zu schaffen, in alle Ortsgemeinden zu fahren.“

Was die Bürgermeister aus der Region erzählen, deckt sich mit Studien zu Kommunalreformen. Felix Rösel vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) sagt, in Mecklenburg-Vorpommern hätten 85 Prozent aller Mandatsträger nach einer Gebietsreform gesagt, Bürger interessierten sich weniger für Kreispolitik. Die Wahlbeteiligung von Menschen gehe in fusionierten Gebieten um bis zu vier Prozent stärker zurück.

Auch der Sozialverband VdK warnt: „Eine kommunale Neugliederung darf nicht zu längeren Anfahrtswegen und kürzeren Sprechzeiten bei Ämtern oder Behörden führen“, sagt der Landeschef Willi Jäger. „Gerade Senioren oder Menschen mit Behinderung brauchen kurze Wege und gründliche Beratung, damit sie ihre Leistungsanträge stellen können“, sagte Jäger. Wer fusioniere, solle Fahrdienste und Zweigstellen einrichten.

Kommunen sparten mit der Reform viel Geld, glaubt Jäger. Das sieht auch der rheinland-pfälzische Steuerzahlerbund so, der die kleingliedrigste Kommunallandschaft in Deutschland anprangert. Präsident Rainer Brüderle schlägt vor, dass das Land die Hälfte von Kassenkrediten der Fusionspartner als Hochzeitsgeschenk übernehmen sollte. Anders als die Kritiker wittert Brüderle Chancen in einer Reform. Sie könne helfen, Schulden abzubauen und zu investieren. Er fordert Land und Opposition auf, eine gemeinsame Position zu erarbeiten.

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