"Bund muss sich an der Bildung finanziell beteiligen"

Nach Ansicht von Elke Hannack, der stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), muss die Bundesregierung deutlich stärker in Bildung investieren. Die von Kanzlerin Angela Merkel vor fünf Jahren ausgerufene Bildungsrepublik sei ein "leeres Versprechen" geblieben, kritisiert Hannack im Gespräch mit unserem Korrespondenten Hagen Strauß.

Frau Hannack, die Regierung rühmt sich, so viel wie noch in Bildung zu investieren. Ist die Bildungsrepublik Realität geworden?Hannack: Nein, im Gegenteil. Für viele Menschen bleibt die Bildungsrepublik ein leeres Versprechen. Fast 1,5 Millionen Jugendliche im Alter von 20 bis 29 Jahren haben keine abgeschlossene Ausbildung. Es gibt mehr als sieben Millionen Analphabeten in Deutschland. Alle Studien zeigen: Der Geldbeutel der Eltern entscheidet über den Bildungserfolg der Kinder. Die soziale Spaltung bleibt die Achillesferse des deutschen Bildungswesens.Was erwarten Sie von einer möglichen großen Koalition?Hannack: Die große Koalition muss eine große Bildungsreform starten. Alle Bildungsforscher sagen uns, was zu tun ist: Wir müssen mehr in die Qualität der Kitas investieren, also in eine bessere Ausbildung der Erzieher und in kleinere Gruppen. Wir brauchen mehr gute Ganztagsschulen und den Ausbau der Hochschulen. Jugendliche aus armen Elternhäusern benötigen höhere Bafög-Sätze. Die Regierung muss das Nachholen von Schul- und Berufabschlüssen mit einem Vollzuschuss fördern. Und außerdem müssen wir die Warteschleifen im Übergang von der Schule in die Ausbildung abbauen. Das ist aber ein teurer Wunschzettel. Wie soll das denn bezahlt werden?Hannack: Wer am Sonntag die Bildungsrepublik beschwört, muss am Werktag das nötige Geld dafür locker machen. Die Länder sind mit der Finanzierung von Kitas, Schulen und Hochschulen heillos überfordert; auch wegen der Schuldenbremse. Es ist daher Unsinn, wie bisher den Bund als Geldgeber per Grundgesetz aus der Finanzierung von weiten Teilen unseres Bildungswesens auszugrenzen. Dieses Kooperationsverbot muss komplett aus der Verfassung gestrichen werden.Alle Versuche, das Verbot zu kippen, sind jedoch bislang gescheitert.Hannack: Eine große Koalition kann das schaffen. Die Maßnahme gehört in das 100-Tage-Programm der Regierung und darf nicht in eine Föderalismus-Kommission geschoben werden.Wären mit der Umsetzung ihrer Forderungen nicht zwangsläufig Steuererhöhungen verbunden?Hannack: Natürlich sind höhere Steuern kein Selbstzweck. Milliarden-Investitionen in unser Bildungswesen sind nur machbar, wenn es frisches Geld gibt. Das geht nur mit höheren Steuern auf große Vermögen, hohe Erbschaften und Finanztransaktionen. has

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