"Das ist nicht normal": Wie ein Dorf in Bingen auf den mutmaßlichen Brandanschlag reagiert

Bingen · Es brennt in der Nacht in einem Gasthaus in Bingen-Sponsheim, alle können sich retten. Dann werden Hakenkreuze an dem Gebäude entdeckt. Die Dorfbewohner können nicht fassen, dass womöglich Rechtsextremisten Feuer gelegt haben.

 Die Feuerwehr versucht in der Nacht zum 07.04.2016 in Bingen (Rheinland-Pfalz) den Brand in einem Mehrfamilienhaus zu löschen.

Die Feuerwehr versucht in der Nacht zum 07.04.2016 in Bingen (Rheinland-Pfalz) den Brand in einem Mehrfamilienhaus zu löschen.

Foto: Thorsten Gerhardt (Thorsten Gerhardt)

Das Haus steht einsam auf einem großen Platz. Die Fenster sind kaputt, Glassplitter liegen umher. Ein Hakenkreuz ist auf einer Tür zum Keller zu sehen, ein weiteres daneben. Es ist ein Geisterhaus, jetzt, nach dem Brand. Das Feuer in dem Gast- und Wohnhaus in Bingen-Sponsheim hat die Bewohner mitten in der Nacht erwischt, es sind Flüchtlinge, Saisonarbeiter aus Portugal und Beschäftigte von Firmen im Ort. Alle können sich retten, vier werden verletzt. Es hätte eine Tragödie werden können, doch die Feuerwehr war schnell da. Auch zwei der Helfer erleiden Rauchvergiftungen.

Sponsheim, ein Stadtteil von Bingen, ist ein Dorf mit rund 1500 Einwohnern. Mutmaßliche Brandstiftung, ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund, Hakenkreuze, sowas gebe es dort sonst nicht, sagen Nachbarn. Das Gasthaus grenzt an ein Wohngebiet, idyllisch sieht es dort aus, mit Ein- und Mehrfamilienhäusern und gepflegten Gärten. Anna Dell wohnt dort, in unmittelbarer Nähe zum Gasthaus. Sie wacht auf in der Nacht, als es brennt. Sie sieht die Feuerwehr kommen. Über den Brand sagt sie: "Das ist nicht normal."

Straftaten steigen drastisch an

Das Dorf ist irritiert. Klaus-Eike Schrobsdorf betreibt einen Partyservice, sein Grundstück grenzt an den Platz vor dem Gasthaus. Er wohnt etwas weiter weg, hat aber nachts mitbekommen, dass es dort brennt. Er schaute nach, ob das Feuer auch auf seinen Betrieb übergegriffen hat. "Alle sind immer freundlich, herzlich", beschreibt er das Verhältnis zu den Bewohnern des Gasthauses. "Im Grunde genommen kenne ich das alles hier aufgeschlossen." Eine andere Nachbarin, wie Schrobsdorf auch zugezogen, wundert sich ebenfalls: "Nichts in der Art" sei hier bisher passiert.

Es wäre nicht der erste Brand in einer Flüchtlingsunterkunft, doch der erste in einer, in der Menschen gewohnt haben und nun verletzt worden sind. "Es ist tatsächlich eine neue Dimension", sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die den Brandort am Mittag besucht. "Es ist immer wieder schockierend und erst recht, wenn wir es einfach mit einem Anwesen zu tun haben, in dem Menschen leben." Dreyer zeigt sich entsetzt über die drastisch gestiegene Zahl der Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte. Während es 2014 im Land einen registrierten Fall gab, waren es im vergangenen Jahr 29 Fälle.

Der Brand in einem Haus in Bingen

"Jeder Bürger ist gefordert"

Die rot-grüne Landesregierung ist mit mehreren Projekten aktiv gegen Rassissmus und Fremdenfeindlichkeit. So gibt es Aktionen gegen Rassismus in Schulen, Aktionen in der Jugendarbeit, Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung. Das reicht aber offensichtlich nicht, um Rassismus zu verhindern. Deshalb dringt die Regierungschefin auf ein Engagement aller Bürger. "Jeder Bürger ist auch gefordert, nicht nur zu einer Kultur des Widerspruchs, sondern auch deutlich zu sagen: Das akzeptieren wir nicht."

Noch ist offen, ob es sich um einen rechtsextremistischen Hintergrund handelt. Dreyer versichert, dass das Land alles tue, damit der oder die Täter gefasst und bestraft werden. Der Fall Limburgerhof zeigt jedoch, dass sich die Ermittlungen schwierig gestalten können. In einer geplanten Flüchtlingsunterkunft hatten Unbekannte im Mai 2015 Bitumenbahnen auf dem Flachdach angezündet. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Auch wenn es damals ein Anschlag gewesen sein könnte und diesmal wieder — die Regierungschefin will sich damit nicht abfinden: "Es sind Zeiten angebrochen, auch in diesem Bundesland, die wir nicht tolerieren können."

Der Brand in einem Haus in Bingen im Überblick

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