Das SPD-Personalpuzzle nimmt Formen an

Mainz · Wer wird Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Beck? Diese Frage beherrscht die Landespolitik. Die Entscheidung reift, und es zeichnen sich weitere Personalien ab. So wird es etwa einen neuen Chef der Staatskanzlei geben.

Mainz. Ministerpräsident Kurt Beck und Bildungsministerin Doris Ahnen wirken nach den Osterferien gut erholt, als sie am Dienstag den neuen Staatssekretär Hans Beckmann, zuständig für die Schulen, vorstellen (siehe eigenen Bericht auf dieser Seite). Beiden hat die Debatte in ihrer Partei über die bevorstehenden Weichenstellungen offenbar keine schlaflosen Nächte bereitet.
Während die SPD und mit ihr das Land rätseln, wie es weitergeht, haben sich die Hauptdarsteller des Personalpuzzles in den Ferien entspannt. Gedanken über ihre politische Zukunft werden sich neben Doris Ahnen auch Innenminister Roger Lewentz beim Urlaub in Dänemark und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering bei seinen Flitterwochen in der Türkei - er hat zum zweiten Mal geheiratet - gemacht haben. Diese drei haben die besten Aussichten, Regierungs- und gleichzeitig SPD-Parteichef zu werden.
Die Entscheidung wird nach allgemeiner Einschätzung zwischen Lewentz und Hering fallen. Ahnen werden Außenseiterchancen eingeräumt. Nur wenn sich die Herren wider Erwarten nicht einigen können, käme sie vielleicht zum Zuge. Wobei etliche Sozialdemokraten auch Sozialministerin Malu Dreyer aus Trier zutrauen, als lachende Vierte aus dem Rennen hervorzugehen.
Für Roger Lewentz spricht in erster Linie seine Fähigkeit, Menschen für sich zu gewinnen. An der Parteibasis nennen Kreis- und Ortsvereinsvorsitzende eher seinen Namen. Kritiker mahnen allerdings, Lewentz nehme als derzeit Verantwortlicher für die Baustellen Nürburgring und Flughafen Hahn diese Probleme direkt in die Staatskanzlei mit.
Hendrik Hering gilt als entscheidungsfreudig und kritikfähig. Er pflegt ein enges Verhältnis zum Koalitionspartner und ist bei den Grünen beliebter als Lewentz. Hering ist aber eher introvertiert und kein "Menschenfänger" wie sein Konkurrent.
Allgemein wird damit gerechnet, dass der mit Spannung erwartete Wechsel noch in diesem Jahr über die Bühne geht. Ein möglicher Zeitpunkt: der turnusgemäß anstehende SPD-Landesparteitag. Der ist noch nicht terminiert, muss aber bis Jahresende stattfinden.
Unabhängig davon, ob sich die Protagonisten schon beim nächsten Gespräch - Ort und Zeit geheim - verständigen können, steht bereits fest: Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei, wird seinen Posten nach dem Rückzug von Kurt Beck verlieren. Denn es ist üblich, dass der neue Regierungschef sich einen engen Vertrauten als Strippenzieher an seine Seite holt. Stadelmaier plant offenbar seinen kompletten Abschied aus der Politik. Der Medienexperte wird mit dem ZDF in Verbindung gebracht, wo er Verwaltungsdirektor werden könnte.
Fest steht auch: Kurt Beck wird neben dem Amt des Ministerpräsidenten den SPD-Parteivorsitz in Rheinland-Pfalz abgeben und aus dem Landtag ausscheiden - anders als der ehemalige CDU-Chef Christoph Böhr, der noch fast drei Jahre nach seinem Rücktritt normaler Abgeordneter war. Für Beck wird dessen B-Kandidat im Wahlkreis Südliche Weinstraße, SPD-Generalsekretär Alexander Schweitzer, als Abgeordneter nachrücken. Sobald es zum Wechsel kommt, dessen Zeitpunkt wohl alleine Kurt Beck bestimmt, werden weitere Personalrochaden erforderlich. Wer in die SPD hineinhorcht, erfährt: Heißeste Kandidatin als neue Chefin der Staatskanzlei, egal wie der neue Regierungschef heißt, ist Jacqueline Kraege. Die Sozialstaatssekretärin, vorher Umweltstaatssekretärin, war viele Jahre Referatsleiterin in der Staatskanzlei, leitete das Büro von Beck und die Abteilung für Ressortkoordination und Regierungsplanung. Sie gilt als kluger politischer Kopf mit starken administrativen Fähigkeiten und exzellenten Verbindungen nach Berlin.
Sollte Roger Lewentz Ministerpräsident werden, könnte er sich auch für seinen engen Vertrauten Jürgen Häfner, derzeit Innenstaatssekretär, als Chef der Staatskanzlei entscheiden. Häfner könnte allerdings auch Innenminister werden. Ein Posten, für den außer ihm der Mainzer Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann gehandelt wird. Würde Hendrik Hering das Rennen um die Beck-Nachfolge für sich entscheiden, bräuchte die SPD einen neuen Fraktionschef im Landtag. Hier fällt der Name Alexander Schweitzer als Erstes. Er war von 2006 bis 2009 Abgeordneter, wurde dann Wirtschaftsstaatssekretär und nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün SPD-Generalsekretär.
Mancher in der Fraktion fände es möglicherweise unpassend, wenn der Landtags-Nachrücker für Kurt Beck direkt zum Fraktionschef würde. Dann kämen entweder der talentierte Andernacher Clemens Hoch oder eine Interimslösung mit einem der Fraktionsvize in Betracht. Chancen werden den Senioren Carsten Pörksen aus Bad Kreuznach und Günther Ramsauer aus Ludwigshafen eingeräumt, wobei Letzterer wegen des zu berücksichtigenden Regionalproporzes als Pfälzer bessere Aussichten hätte.
Großen Spielraum für eine Kabinettsumbildung hat der neue Regierungschef im Übrigen nicht. Theoretisch stünden die fünf SPD-Ministerposten von Roger Lewentz (Innen, Infrastruktur), Doris Ahnen (Bildung), Malu Dreyer (Arbeit, Soziales), Jochen Hartloff (Justiz, Verbraucherschutz) und Margit Conrad (Landesvertretung) zur Disposition. Allerdings läuft die Wahlperiode erst seit einem Jahr, und keiner der Genannten hat sich bislang durch schlechte Arbeit für eine Ablösung "empfohlen".

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