Kommunalwahlen Der alte Mann und die Beiträge

Mainz · SPD-Urgestein Pörksen fordert klare Aussagen zur Kita-Novelle und zu den umstrittenen Straßenausbaubeiträgen.

 Er nimmt kein Blatt vor den Mund: Carsten Pörksen.

Er nimmt kein Blatt vor den Mund: Carsten Pörksen.

Foto: picture alliance / dpa/Fredrik Von Erichsen

(RZ) Aus der großen Politik hat sich Carsten Pörksen seit 2016 verabschiedet. Nicht selten schärft aber genau dieser Abstand den Blick aufs Wesentliche. Beim Kommunalpolitischen Kongress der Sozialdemokraten trat der ehemalige Vize der Landtagsfraktion ans Mikro. Und was der gebürtige Nordfriese mit dem Seemannsbart ansprach, sind zwei große Probleme der SPD im Kommunalwahlkampf: „Erstens Straßenausbaubeiträge: Da müssen wir drüber reden. Wir müssen dort handlungsfähig sein. Zweitens: das neue Kita-Gesetz. Auch wenn es noch in der Beratungsphase ist: Der CDU gelingt es, das Bildungsland Rheinland-Pfalz damit madig zu machen. Wie wollen wir damit umgehen?“

Die Haltung der SPD bei den umstrittenen Beiträgen ist eigentlich klar. Die Partei favorisiert wiederkehrende Beiträge, während CDU, AfD, FDP und Bund der Steuerzahler eine generelle Abschaffung propagieren. Pörksen hinterfragt auch nicht die grundsätzliche Positionierung der SPD. Seine implizite Frage: Wie vermitteln wir das unseren Wählern? Die Antworten aus der Landespolitik waren dazu bisher recht simpel: „Wir denken, dass wir ein gutes und gerechtes System gefunden haben“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Martin Haller mehrfach. „Soziale Härten werden so vermieden.“ Das erklärt allerdings kaum die Nachteile eines steuerfinanzierten Systems. Und genau die vermittelt in Bingen jemand, den man – ähnlich wie Pörksen – überregional schon länger nicht wahrgenommen hat: Michael Ebling. Der Mainzer Oberbürgermeister trat in den vergangenen Jahren kaum über sein Amt hinaus in Erscheinung. Im Wahlkampfjahr versprüht er aber große Lust am Politisieren und hat seine ureigene Stärke wiederentdeckt. Er erklärt schwierige Sachverhalte ruhig und mit einem Augenzwinkern.

„Ich schätze diese Landesregierung natürlich sehr“, sagt er – und lächelt Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu. „Aber wo wir in Mainz unsere Straßen bauen, wollen wir doch bitte in unseren Stadträten entscheiden. Ich möchte keinen Landesstraßen-bis-ins-kleinste-Detail-Plan. Ich stehe da zur kommunalen Selbstverwaltung, liebe Freunde.“ An seiner Seite stehen bei dieser Argumentation auch der Gemeinde- und Städtebund sowie – hinter vorgehaltener Hand – einige CDU-Bürgermeister.

Die große Befürchtung: Wenn Mainz entscheidet, welche Straßen ausgebaut werden, wird die Sanierung der Gemeindestraße zum Machtspiel. Wer kann Einfluss nehmen? Zugespitzt formuliert ein Genosse im Saal: „Fährt dann der Minister ohne Schlaglöcher nach Hause, und im Nachbarort braucht man einen Geländewagen?“

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Foto: TV/Lambrecht, Jana

Das Thema Kita wiederum ist hausgemacht. Die Landesregierung jazzte die Kita-Novelle mit großer Pressekonferenz zur perfekten Reform hoch. Die CDU machte daraus ein Wahlkampfthema, weil Eltern, Betreuer und Träger Sturm laufen. Nun wird die Megareform zum Referentenentwurf zurückgestutzt. Das wird nicht reichen. Der Kongress sendet einen klaren Auftrag an die Landesregierung: Räumt dieses Thema bis zur Wahl ab und bringt dabei die Kritiker auf eure Seite!

Die dritte Unwägbarkeit für Sozialdemokraten im Kommunalwahlkampf wurde einige Kilometer weiter in Mainz deutlich. Bundesjustizministerin und EU-Spitzenkandidatin Katarina Barley lud zum Plausch in einer hippen Neustadt-Kneipe. Die Atmosphäre war freundlich. „Kaum jemand ist mehr Europa als ich“, erklärte Barley, warum sie ihren „Traumjob“ für Brüssel opfern möchte. Vater: Brite. Exmann: Halb-Spanier, Halb-Niederländer. Kennengelernt hat sie ihn in Frankreich – während des Studentenaustauschs.

Barley ist begeisterte Europäerin. Doch auch sie verfällt ins Technokratische, wenn sie Fragen zur EU beantworten muss, spricht von Klauseln, Verträgen und zähen Kompromissen mit Partnern. Das passt zur Einschätzung einiger SPD-Spitzenpolitiker im Land, die offiziell gern betonen, wie wichtig die EU-Wahl ist. Für das eigene Kommunalwahlergebnis – das 7000 Mandate bringen soll – ist sie eine Gefahr.

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