Die Konjunktur kühlt sich ab - was tun?

Berlin · Da braut sich was zusammen: Vor dem Hintergrund einer sich abkühlenden Konjunktur hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung deutliche Kritik an den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung geübt.

Berlin. Die sogenannten Wirtschaftsweisen haben gestern in Berlin ihren aktuellen Jahresbericht vorgestellt. "In die falsche Richtung gehen strukturelle Mehrausgaben wie etwa das Betreuungsgeld, die Zuschussrente oder die Abschaffung der Praxisgebühr", heißt es darin. Wie lautet die Wachstumsprognose? Für 2012 und 2013 sehen die Wirtschaftsweisen nur noch ein kleines Plus von jeweils 0,8 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 legte das Bruttoinlandsprodukt noch um satte drei Prozent zu. Die Prognose deckt sich weitestgehend mit der Vorhersage der Bundesregierung, die nur für das kommende Jahr ein bisschen optimistischer ist: Für 2013 rechnet Schwarz-Gelb mit einem Zuwachs von 1,0 Prozent. Warum kritisieren die Experten die Regierung? Sie sehen zwar Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung. Doch ist diese Entwicklung nach ihrer Auffassung kein Verdienst von Schwarz-Gelb. Der positive Trend resultiert zuallererst aus den sprudelnden staatlichen Einnahmen. Sie werden im laufenden Jahr um 3,4 Prozent ansteigen. Hinzu kämen trotz wachsender Schuldenquote sinkende Zinszahlungen, weil Deutschland als "sicherer Hafen" in der Euro-Krise gelte, sowie Ersparnisse bei der Bundesagentur für Arbeit. Da diese Entwicklung aber nicht von Dauer sei, brauche es "deutlich mehr Ehrgeiz bei der Konsolidierung", heißt es in dem Gutachten. Wo sehen die Gutachter weiteren Handlungsbedarf? Neben Anstrengungen beim Schuldenabbau mahnen die Experten eine marktgerechte Form der Energiewende an. Zur Eindämmung der wachsenden Stromkosten empfehlen sie, das Erneuerbare-Energien-Gesetz durch ein Quoten-Modell zu ersetzen, bei dem feste Anteile für erneuerbare Energien am Strommix vorgegeben würden. Das hätte allerdings den Nachteil, dass in der Regel nur die billigste Technologie nachgefragt werden würde - zum Beispiel Windkraft statt Sonnenenergie. Was sagen die Experten zur Euro-Krise? Es gebe erste Lichtblicke - aber weiterhin eine "Vertrauenskrise von systemischem Ausmaß". Der Währungsunion fehle immer noch eine stabile Architektur. Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen hält es für illusorisch, die Haushaltskontrolle der Euro-Länder zu zentralisieren, weil das mit einem dauerhaften Verlust von nationalen Souveränitätsrechten verbunden wäre. Nur der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sprach von der Notwendigkeit einer zentralen Instanz, für die jüngst auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geworben hatte. Seine Idee: ein EU-Währungskommissar mit weitreichenden Kompetenzen. Was hält die Regierung von der Expertise? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte gestern klar, dass sie den Empfehlungen der Gutachter nicht in allen Punkten folgen könne. Einerseits gelte es, die Schuldenbremse einzuhalten, andererseits sehe sie sich international dem Vorwurf ausgesetzt zu stark zu sparen und damit auf Konjunkturimpulse zu verzichten. In diesem Spannungsverhältnis müsse man einen Weg finden.

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