Die liebe Verwandtschaft: Teil zwei der Volksfreund-Serie "Erben und vererben"

Trier · Auch wenn man es gern manchmal ändern würde: Der Staat verteilt nach geltendem Recht und strikt nach Rangfolge die letzte Habe - und ohne Rücksicht auf die emotionale Verbundenheit mit Kindern, Geschwistern und Enkeln. Vor allem Patchwork-Familien sollten sich beraten lassen.

Zunächst einmal gilt: Jeder hinterlässt früher oder später einen oder mehrere Erben. Wer Erbe werden soll, kann durch Testament oder Erbvertrag geregelt werden. Anderenfalls gilt die gesetzliche Erbfolge.
Das bedeutet: Ein naher Angehöriger, etwa die in der Versenkung verschwundene Tochter oder der drogenabhängige Sohn, kann zwar durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen werden, allerdings wird ihnen durch das gesetzliche Pflichtteilsrecht eine Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers gesichert. Der im Testament von der Erbfolge ausgeschlossene nächste Angehörige wird zwar nicht Erbe, er erwirbt jedoch einen Geldanspruch (siehe Teil 1 der Serie). Die letzte elterliche Waffe, dem Kind mit der Enterbung zu drohen, ist demnach in vielen Staaten möglich, nicht aber in Deutschland.TV-Serie Erben & Vererben


Das gesetzliche Erbrecht richtet sich nun nach dem Grad der Verwandtschaft: Vorrangig erben Kinder oder - wenn diese bereits verstorben sind - die Enkel (siehe Extra). Sind keine Nachkommen vorhanden, erben Eltern oder Geschwister.
Neben das Erbrecht der Verwandten tritt dabei stets noch das Erbrecht des überlebenden Ehegatten. "Ein häufiger Irrglauben ist, dass Ehegatten allein erben", weiß Dr. Steffen Breßler von der Notarkammer Koblenz. "Das Gegenteil ist der Fall! Fast immer erben neben dem Ehegatten noch Verwandte des Verstorbenen mit, selbst wenn keine Kinder vorhanden sind." Ehegatte und Verwandte bilden dann eine Erbengemeinschaft, eine häufige Ursache für Streitigkeiten.
Bei Patchwork-Familien ist das Konfliktpotenzial besonders hoch: Es erben nämlich immer nur die Kinder oder sonstigen Verwandten, die mit dem Verstorbenen biologisch verwandt sind oder von diesem adoptiert wurden - nicht aber der Lebenspartner. Stiefkinder und Schwiegereltern haben ebenfalls kein gesetzliches Erbrecht.
Ein Beispiel: Herr und Frau Schmidt, in zweiter Ehe ohne Ehevertrag verheiratet, haben jeweils zwei Kinder aus erster Ehe und ein Vermögen von je 100 000 Euro. Stirbt zuerst Herr Schmidt, erbt seine Ehefrau zusammen mit seinen leiblichen Kindern aus erster Ehe. Frau Schmidt erbt 50 000 Euro, die Kinder jeweils 25 000 Euro.
Verstirbt sodann auch noch Frau Schmidt, geht ihr Vermögen ausschließlich auf ihre leiblichen Kinder über. Diese sind damit insgesamt besser gestellt als ihre Stiefgeschwister, da im Nachlass ihrer Mutter auch noch der Erbteil nach Herrn Schmidt vorhanden war. Die Kinder von Frau Schmidt erben so je 75 000 Euro. "Das gesetzliche Erbrecht bevorzugt also klar die Kinder des Längerlebenden", sagt Breßler.
Noch komplizierter wird die Situation, wenn der neue Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt werden soll oder einzelne Kinder, etwa aus erster Ehe, vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden sollen. "In jedem Fall steht leiblichen Kindern der Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu", gibt Breßler zu berücksichtigen.
Dabei ist auch zu beachten, dass eventuell der Ex-Mann oder die Ex-Frau zur Vertretung eines noch minderjährigen Kindes berufen ist und es somit zu einem besonders emotionalen Rechtsstreit zwischen dem alten und dem neuen Ehegatten des Verstorbenen kommen könnte. Breßler empfiehlt daher: "Es ist unbedingt erforderlich, die genaue Familiensituation auszuloten und eine maßgeschneiderte Lösung im Einzelfall zu erarbeiten." Ein Patentrezept, das für sämtliche Familienkonstellationen gilt, gebe es nämlich nicht: "Vorsicht daher vor Mustertexten aus dem Internet oder aus Erbrechtsratgebern!"
Im nächsten Teil der Serie "Erben und Vererben" beschäftigen wir uns mit Testamenten, und wie man sie fehlerfrei formuliert.Extra

Ratgeber zum Todesfall Eine erste Auseinandersetzung mit dem Todesfall ist der Ratgeber der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz "Was tun, wenn jemand stirbt?" Darin erklären die Experten, wer für eine Beerdigung zuständig ist, welche Vorbereitungen getroffen werden müssen und wo es Hilfe gibt, ISBN 978-386336-030-6, 9,90 Euro. sas TV - Wissen Wie:Richtig vererben Wer sicher sein will, dass sein letzter Wille erfüllt wird, es bei Nachkommen nicht zu Streit kommt und dass das Testament richtig verfasst ist, kann sich bei einem Vortrag im Medienhaus Trierischer Volksfreund, Hanns-Martin-Schleyer-Str. 8, Trier, informieren. Notar Dirk Harders, Vorsitzender des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit der Notarkammer Koblenz aus Birkenfeld, referiert am Montag, 8. Dezember, 19.30 Uhr. Anmeldung bis 3. Dezember über das TV-Telefon 0651/7199-285. Die Veranstaltung kostet 59,90 Euro, für Abonnenten 29,90 Euro. redExtra

Die gesetzliche Erbfolge ist eindeutig. Erben erster Ordnung sind die Kinder - auch uneheliche oder adoptierte. Gibt es mehrere Kinder, erben sie zu gleichen Teilen. Ist eines der Kinder bereits tot, erben die Enkel. Also auch sie gehören dann zur ersten Ordnung. Ist der Tote kinderlos, erbt die zweite Ordnung, also Eltern und deren Nachkommen: Geschwister, Neffen und Nichten. Gibt es auch dann niemanden mehr, kommt die dritte Ordnung zum Zug, die Großeltern und deren Nachkommen. Fazit: Solange ein Verwandter einer vorrangigen Ordnung noch lebt, gehen die Angehörigen der niedrigeren Ordnungen leer aus. Der Ehepartner hat in der ganzen Rangfolge eine Sonderstellung. Keinesfalls ist er automatisch alleiniger Erbe. Nach der Erbfolge erhält der überlebende Ehepartner erst mal nur ein Viertel des Vermögens. Da die meisten Eheleute in der Regel in einer Zugewinngemeinschaft leben, erhält der Partner noch mal ein weiteres Viertel dazu, als pauschalen Zugewinn - unterm Strich gibt es damit die Hälfte für den Ehepartner, die zweite Hälfte des Erbes teilen sich die Kinder. Bei Gütertrennung erbt der Partner immer gleich viel wie die Kinder. Auch wenn die Ehe kinderlos ist, erhält der Ehepartner nicht automatisch das gesamte Erbe. Solange es noch Erben zweiter Ordnung wie Eltern oder Geschwister gibt, erhält der überlebende Partner zunächst die Hälfte plus ein Viertel aus der Zugewinngemeinschaft. Das restliche Viertel teilen sich die Geschwister und Eltern. Stichwort Scheidung: Hat der geschiedene Partner Unterhaltsanspruch, müssen die Erben dafür aufkommen - bis zur Höhe des Pflichterbteils. sas

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