Drei Fragen an Markus Linden Groko ist zu viel Konsens

Trier „ · Die SPD steht vor der Zerreißprobe“, glaubt der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden (44). Mit dem Privatdozenten an der Uni Trier sprach Volksfreund-Redakteur Rolf Seydewitz.

 Der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden.

Der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden.

Foto: Privat

Wie bewerten Sie die innerparteiliche Zerrissenheit der SPD?

MARKUS LINDEN Die SPD ist in der Groko-Frage eine gespaltene Partei, das ist offensichtlich. Die komplette Führungsriege hat ihre nach der Wahl und nach dem Scheitern von Jamaika getroffene Entscheidung (Gang in die Opposition) revidiert. Der spätere Schwenk geht natürlich auch auf die Initiative des Bundespräsidenten zurück, hängt aber zudem entscheidend mit der Bundestagsfraktion zusammen. Hier gab es nach dem Scheitern von Jamaika offenen Protest gegen den Neuwahlkurs. Dagegen wollte sich die Parteiführung nicht stellen. Insgesamt steht die Partei somit vor einer Zerreißprobe. Sie wird diesen Prozess nur positiv gestalten können, wenn sich der Eindruck durchsetzt, dass das gewählte Verfahren in Form von Parteitag und Mitgliederbefragung einen Mehrwert hat, also für „mehr Demokratie“ steht.

Wie ist Ihre Prognose für Sonntag?

LINDEN Wahrscheinlicher ist eine Zustimmung des Parteitags zu Koalitionsverhandlungen, in der Hoffnung, dort noch etwas mehr rausholen zu können. Der SPD fehlen beim derzeitigen Verhandlungsergebnis Vorzeigeprojekte, so wie die Einführung des Mindestlohns bei der letzten großen Koalition als „Leuchtturm“ fungieren konnte. Trotzdem wäre ein negatives Votum des Parteitags eine Überraschung, da damit die komplette Führungsriege gescheitert wäre. Schwieriger dürfte später die Abstimmung bei den Mitgliedern werden. Hier ist die Partei derzeit in etwa zwei gleich große Gruppen gespalten.

Inwiefern hat die Partei überhaupt eine Chance, aus der gegenwärtigen Situation ohne bleibende Schäden herauszukommen?

LINDEN Die Fehler wurden nicht jetzt, sondern wesentlich früher gemacht. Die beiden großen Koalitionen seit 2005 haben dazu geführt, dass die Bevölkerung die großen Parteien zu sehr als geschlossene politische Klasse wahrnimmt. Das ist auch ein Problem der Union. Das große Risiko einer neuerlichen großen Koalition besteht darin, dass dann die AfD als größte Oppositionspartei im Bundestag auftreten kann. Langfristig müssen die großen Volksparteien wieder zu einem Gegenüber zwischen Regierung und Opposition zurückkehren. Der intransparente Konsens in der Politik hat die AfD erst starkgemacht, der demokratische Konflikt zwischen den Volksparteien und im Parlament könnte sie überflüssig machen.

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