Justiz Wittlicher Drogenexperte: Kiffer sollen nur noch Bußgeld zahlen

Trier/Wittlich/Mainz · Wer sich mit kleinen Mengen Cannabis erwischen lässt, müsste dann keine Strafe mehr vor Gericht fürchten. Den Stoff zu legalisieren, lehnen Kriminalpolizisten und Mediziner ab.

 Hanf-Pflanzen wachsen in einer Cannabis-Plantage.

Hanf-Pflanzen wachsen in einer Cannabis-Plantage.

Foto: picture alliance / ABIR SULTAN/d/ABIR SULTAN

Soll Kiffen künftig nur noch eine Ordnungswidrigkeit wie Falschparken sein? Drogenexperte Jörn Patzak fordert einen neuen Weg, um den Cannabis-Konsum in Deutschland zu bekämpfen. Der Wittlicher spricht sich dafür aus, Besitzer kleiner Mengen an Gras gut 100 Euro Bußgeld berappen zu lassen und ihnen den Stoff zu entziehen. Wer freiwillig in die Suchtberatung gehe, dem könne das Bußgeld erlassen werden, schlägt Patzak vor, der jahrelang als Drogen-Staatsanwalt gearbeitet hat und inzwischen das Gefängnis in Wittlich leitet.

Wer gelegentlich einen Joint raucht, müsste dann nicht mehr die Mühlen der Justiz durchlaufen, wenn er sich erwischen lässt. Bislang steht jeder Besitz von Cannabis unter Strafe. Die Staatsanwaltschaft stellt aber viele Verfahren ein, wenn sie von geringer Schuld oder reinem Eigenkonsum ausgeht. In Rheinland-Pfalz ist das nach dem Betäubungsmittelgesetz meist der Fall, wenn die Polizei Verdächtige mit höchstens zehn Gramm Marihuana oder Haschisch schnappt. In der Region Trier verzichtete die Staatsanwaltschaft aus diesem Grund im vergangenen Jahr in 350 Verfahren auf Anklage, im ganzen Land waren es 3196. Patzak spricht sich in solchen Fällen für ein Bußgeld aus. „Eine empfindliche Geldstrafe würde Konsumenten geringer Mengen entkriminalisieren und doch eine Abschreckung in den Verfahren bewahren, die wir strafrechtlich faktisch ohnehin nicht mehr verfolgen“, sagt er.

Der Wittlicher sieht in einem Bußgeld eine Chance, Polizei und Staatsanwaltschaften stärker zu entlasten, um kriminelle Händler aufzuspüren. Auch Christian Soulier, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), fordert eine neue Strategie im Kampf gegen die Drogen. Der Markt sei überschwemmt, warnt der Trierer, der stärker Händler und deren Verbreitungskanäle in den Blick nehmen will. „Das jahrzehntelange System, in dem wir 70, 80 Prozent unserer Beamten in der Betäubungsmittelbekämpfung für den repressiven Umgang mit Konsumenten binden, ist gescheitert“, sagt Soulier.

Andere Länder gehen schon dazu über, Cannabis zu legalisieren. Kanada hat im Oktober als erstes großes Industrieland erlaubt, Gras zu konsumieren. In Luxemburg fordern das auch die Grünen, die derzeit mit Liberalen und Sozialdemokraten einen Koalitionsvertrag aushandeln. In Deutschland gelten Cannabis-Produkte bislang als illegale Suchtmittel. Patienten können Gras seit März 2017 im Einzelfall auf Rezept bekommen. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) sagt: „Über eine Legalisierung von Cannabis kann grundsätzlich nachgedacht werden. Dabei sind aber die Gesundheitsgefahren vor allem für Jugendliche im Blick zu behalten. Denn völlig harmlos ist der Konsum für deren kognitive Entwicklung nicht.“

Der Drogenexperte Patzak und der Kriminalbeamte Soulier lehnen es strikt ab, Cannabis zu erlauben. Mediziner und Psychotherapeuten warnen vor einer Einstiegsdroge, die fatale medizinische und psychische Folgen habe.

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