Gesundheit Eifeler Experte warnt vor Glyphosat

Trier · Ist das Pflanzengift wirklich ungefährlich? Ein Mediziner aus der Region und andere Wissenschaftler prangern an, Behörden hätten bei der Risikobewertung unsauber gearbeitet.

 Ein Bauer besprüht in Mecklenburg-Vorpommern sein Feld. In Berlin verhandeln Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, wie man den Glyphosateinsatz verbieten oder verringern kann.

Ein Bauer besprüht in Mecklenburg-Vorpommern sein Feld. In Berlin verhandeln Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, wie man den Glyphosateinsatz verbieten oder verringern kann.

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Noch ist Glyphosat frei käuflich. Noch kann jeder Hobbygärtner ins Geschäft spazieren und das meistgehandelte Unkrautvernichtungsmittel der Welt legal erstehen. Zumindest theoretisch. Manche Händler verbannen Roundup und andere Glyphosat-Produkte freiwillig, nachdem ein US-Gericht Bayers Tochterfirma Monsanto kürzlich die Schuld an der Krebserkrankung zweier Kläger gab. Denn was, wenn das Pflanzengift doch krebserregend ist?

Der im Eifelort Musweiler lebende Epidemiologe Eberhard Greiser warnt eindringlich vor dem Gebrauch. „Ich halte es für ein sehr reales Risiko, dass Glyphosat Krebs verursacht“, sagt der ehemalige Direktor des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin. 2015 hatte der emeritierte Medizin-Professor den Landwirtschaftsausschuss des Bundestags als Sachverständiger beraten, als es um die Wiederzulassung des Wirkstoffs ging.  Er analysierte 92 Studien, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) herangezogen hatte, um zu bewerten, wie gefährlich Glyphosat für die Gesundheit ist.

Sein Urteil fällt vernichtend aus, und es sorgte bundesweit für Schlagzeilen, denn Greiser kommt zu dem Schluss, dass das BfR einen Großteil seiner Bewertung einfach von Monsanto übernommen habe. „Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Fälschungen der ,Glyphosate Task Force’ unter Führung von Monsanto akzeptiert und an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit weitergeleitet. Diese Entscheidung und die darauf erfolgten Entscheidungen der weiteren europäischen Behörden bedeuten eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung“, schreibt Greiser in einer zusammenfassenden Bewertung.

Ein Vorwurf, den inzwischen auch andere Wissenschaftler wie der Biochemiker und Umweltschützer Helmut Burtscher-Schaden und der Plagiatsforscher Stefan Weber  erheben: Das Bundesinstitut habe die Risikobewertung von 58 Studien wortwörtlich bei der Industrie abgeschrieben. Damit sei die wissenschaftliche Grundlage der Zulassung stark infrage gestellt, befand Burtscher-Schaden Anfang 2019. Er und Weber waren von Fraktionen des EU-Parlaments mit der Untersuchung beauftragt worden. Und das Parlament reagierte im Januar 2019 auf die für manchen Parlamentarier schockierenden Ergebnisse, indem es das EU-Zulassungsverfahren so veränderte, dass Ähnliches in Zukunft ausgeschlossen sein soll: Die Öffentlichkeit soll Zugang zu Publikationen erhalten, die für eine Zulassung entscheidend sind. Auch soll es eine neue, systematische Überprüfung aller verfügbaren Arbeiten über die krebsauslösenden Eigenschaften von Glyphosat geben.

Greiser kritisierte 2015 zum einen, dass das BfR  bei seiner Risikobewertung einige relevante Publikationen überhaupt nicht berücksichtigt hatte. Und zum anderen, dass Arbeiten, die einen Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Glyphosat herstellten, vom BfR zu Unrecht als „nicht zuverlässig“ deklariert wurden. Seiner Ansicht nach waren sie wissenschaftlich exzellent geplant und durchgeführt. Auf rund 30 Seiten legte er dem Bundestag dar, dass die vermeintlichen Mängel, die das BfR aufführte, gar nicht existierten. So lautete ein gängiger Kritikpunkt, die Wissenschaftler hätten nicht hinterfragt, ob  Betroffene rauchen. Greiser legt dar, dass die Wissenschaftler dies durchaus erfassten. Es sei zu fragen, „welche Funktion die im BfR angeblich tätigen Epidemiologen eigentlich bei der Erstellung der Risikobewertung für Glyphosat gehabt haben könnten“, schrieb Greiser 2015 in seinem Bericht für den Bundestag.

Die Pressestelle des Bundesinstituts spricht von einer Kampagne und verweist auf offene Briefe, die die Behörde im Laufe der Jahre verfasste, um sich gegen die Vorwürfe zu wehren. Dort heißt es, es sei durchaus üblich, dass Teile des Industrie-Dossiers in den Bewertungsbericht einfließen. Keineswegs jedoch sei die Sicht der Antragsteller unkritisch und ungeprüft übernommen worden.  Alle Studien seien im Original bewertet worden, und alleiniges Kriterium für die Berücksichtigung sei deren Qualität, heißt es von der Behörde, deren einstiger Dienstherr – Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) – 2017 im Alleingang der Verlängerung der EU-weiten Zulassung des umstrittenen Herbizids zustimmte. Schmidt säße längst im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn – die mit zig Tonnen pro Jahr der größte Einzelverbraucher von Glyphosat in Deutschland ist –, hätte das Kabinett dies nicht wegen möglicher Interessenskonflikte blockiert.

Ist Glyphosat krebserregend? Auch, wenn die Antwort der Zulassungsbehörden „Nein“ lautet, ist die Verunsicherung derzeit groß. Beim Baumarkt Minninger in Daun ist die Diskussion, ob man die Produkte nicht besser auslistet, in vollem Gange. Für die Trierer Gartencenter Dehner und Lambert ist die Entscheidung bereits gefallen. Glyphosat wird aus dem Sortiment gestrichen – noch bevor Berlin den Einsatz im Hobbygarten verbietet.

 Umstritten: das Pflanzengift Round­up.

Umstritten: das Pflanzengift Round­up.

Foto: dpa/Reed Saxon

Einen Artikel über die Besonderheit von Glyphosat gibt es hier. Warum erste Händler aus der Region Trier Glyphosat aus den Regalen nehmen, wird hier behandelt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort