Kritik Prostitutionsgesetz: Viele Bordelle geben den Betrieb auf, das Gesetz steht dennoch in der Kritik

Trier/Bitburg/Mainz · Strengere Regeln sollen Sex-Arbeiterinnen helfen. Doch die rheinland-pfälzische Ministerin Anne Spiegel klagt: Nur die wenigsten Frauen melden sich bei Behörden an, die Kondompflicht lasse sich gar nicht überprüfen.

 Sie wartet auf Kunden: Ein neues, bundesweit gültiges Gesetz soll das Rotlicht eigentlich ausknipsen. Doch Prostituierte, Frauenrechtler und Politiker in Rheinland-Pfalz schimpfen über die neuen Regeln.

Sie wartet auf Kunden: Ein neues, bundesweit gültiges Gesetz soll das Rotlicht eigentlich ausknipsen. Doch Prostituierte, Frauenrechtler und Politiker in Rheinland-Pfalz schimpfen über die neuen Regeln.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Französisch oder Domina-Spiele? Silvia, die im wahren Leben nicht so heißt, bietet Freiern im Internet allerlei Sex-Abenteuer an. Die Frau arbeitet als Prostituierte in Rheinland-Pfalz. Kommt sie auf das Prostituiertenschutzgesetz zu sprechen, das seit Juli 2017 auch in Rheinland-Pfalz gilt, platzt ihr der Kragen. „Mit dem Pass, den ich nun immer bei mir tragen muss, fühle ich mich wie ein gebrandmarktes Rindvieh auf einer amerikanischen Farm. Und, so wettert sie weiter: „Das Gesetz treibt viele Frauen, die unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt wurden, erst recht in die Illegalität der Sex-Arbeit, weil sie nicht auffliegen wollen und dann lieber im Verborgenen arbeiten“, klagt sie.

Das bundesweite Gesetz sollte Prostituierte eigentlich schützen: Frauen müssen ihr Gewerbe anmelden, bekommen Beratungen, billige Sex-Flatrates in Puffs sind verboten, Sex ohne Kondom kann einen Freier bis zu 50 000 Euro an Bußgeld kosten, für Bordell-Betreiber gelten strengere Regeln. Tatsächlich macht so mancher Puff in Rheinland-Pfalz daher schon dicht: Von Bordell-Betreibern gingen seit Start des Gesetzes 116 Anträge ein, eine Betriebserlaubnis zu bekommen. Auffällig dabei: Mit zwölf Anträgen lehnten Behörden doppelt so viele ab, wie sie genehmigten. Die Kommune prüften laufend noch 89 Bescheide, sagte Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) in Mainz.

925 Prostituierte haben sich im Land bislang bei Ämtern angemeldet. Die Zahlen stammen vom 31. Juli des vergangenen Jahres. Das Problem: Schätzungen gehen von bis zu 10 000 Prostituierten aus, die in Rheinland-Pfalz arbeiten. Spiegel gibt sich keinen Illusionen hin: „Nur die Spitze des Eisbergs meldet sich an“, sagte die Grünen-Politikerin, die das Gesetz scharf kritisiert und sich an vielen Inhalten stört. „Viele Prostituierte fühlen sich gegängelt und in die Illegalität getrieben“, befand die Ministerin. Besonders die Kondompflicht entfacht bei ihr eine Mischung aus Belustigung und Ärger. „Wie sollen Behörden das nachweisen? Wer läuft beim Geschlechtsakt in den Raum rein und sagt: ,Entschuldigung, ich hätte da mal eine Frage ...’?“, frotzelt sie sichtlich genervt. Eine Prostituierte wie Silvia verdeutlicht durch ihr Branchen-Wissen: „Es gibt Frauen, die machen es für 200 Euro mehr ohne Gummi. Ob sie sich Krankheiten einfangen, ist ihnen völlig egal.“ Bordell-Betreiber nutzten ferner Schlupflöcher des Gesetzes, moniert Spiegel. Denn Wohn- und Schlafräume müssen nach dem Gesetz getrennt sein, erläutert die Grüne. Die Folge: Viele Betreiber vermieten den Prostituierten Schlafplätze zu horrenden Summen. Bis zu 3500 Euro im Monat könne ein Zimmer da schon mal kosten, heißt es vom Ministerium.

Den Zustand des Gesetzes beschreibt Spiegel in einem Wort, das unfreiwillig gut passt: „unbefriedigend.“ „Erschreckenden, existenziellen Nöten“ der Frauen würden die Regeln nicht gerecht. Eine Prostituierte, so hörte sie es mal, sei eine Stunde nach der Geburt ihres Kindes wieder auf den Strich gegangen. „Viele Frauen betäuben sich mit Drogen und Alkohol, um diese Lage mit dem Rücken an der Wand zu ertragen.“

Der Trierer SPD-Landtagsabgeordnete Sven Teuber nannte das Gesetz „ein Feigenblatt ohne Wirkung“. Ihn ärgere es, dass der Bund die Regeln erst im Jahr 2025 auf ihren Sinn prüfen wolle. Teuber erwartet von Anne Spiegel, als Vorsitzende der Gleichstellungsministerkonferenz den Druck zu erhöhen, um das Gesetz bereits früher zu evaluieren. Spiegel setzt auf mehr freiwillige Beratungsangebote, wie in Koblenz und Ludwigshafen. Die CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth brach dagegen „trotz aller Kritik“ eine Lanze für das Gesetz. „Flatrate-Sex von 20 Euro hat gerade osteuropäische Mädchen extrem belastet. Das ist nun zum Glück verboten. Ohne solche Regeln wurde Deutschland früher als größter Puff Europas bezeichnet“, sagt sie. Bei der Kondompflicht sei es einfach sinnvoll, „endlich darauf hinzuweisen, dass Sex ohne Kondome überall verboten ist“. Die Kontrolle sei schwierig, ja, weiß Demuth, doch sie sagt zugleich: „Das Rauchen mit 16 ist auch verboten. Und doch sehe ich alle Altersgruppen rauchen, wenn ich zum Bahnhof gehe.“

Geht es um die Anzahl der Prostituierten, spricht das Ministerium von einem Stadt-Land-Gefälle. Wo sich das Gewerbe in Koblenz, Trier und Ludwigshafen ansiedele, nehme man es in der Eifel und dem Hunsrück kaum wahr.

Die Menschenrechts- und Hilfsorganisation Solwodi fordert daher, Sex-Kauf unter Strafe zu stellen und Menschenhandel damit zu unterbinden – wie in Frankreich und vielen skandinavischen Ländern. In Schweden könne es einen Freier bis zu 25.000 Euro kosten, wenn er mit einer Prostituierten erwischt werde, sagt Pressesprecherin Ruth Müller. Sie lobt den Unterschied zum deutschen Gesetz: „Das nordische Modell kriminalisiert die Freier - und nicht die Prostituierten.“

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