Ein Register, das Leben retten kann

Mainz · Bundesweit sollen Krebsregister künftig zusammenarbeiten, um der tödlichen Krankheit gemeinsam den Kampf anzusagen. Patienten loben den Weg, Ärzte warnen zugleich vor dem täglichen Aufwand.

Lungenkrebs lautete die niederschmetternde Diagnose, die eine 57-jährige Rheinland-Pfälzerin im Sommer 2013 verdauen musste. Die Lage war dramatisch. Der Tumor war schon weit ausgedehnt, eine Chemotherapie sollte das Geschwulst verkleinern, um es dann durch eine Operation endgültig zu entfernen. Doch die Frau litt an den Nebenwirkungen der Medikamente. Sie brauchte ein neues Mittel, die Operation lief erfolgreich.

Zwei Jahre später musste die 57-Jährige erneut zum Arzt, weil Krebs die Eierstöcke befallen hatte. Da die Ärzte von dem Verlauf der ersten Erkrankungen wussten, verpassten sie ihr gleich das richtige Mittel für die Chemotherapie. Heute ist die Frau gesund. Für Sylke Zeißig, ärztliche Leiterin des Krebsregisters in Mainz, zeigt der Fall, warum es sinnvoll ist, Daten über Behandlungen von Patienten zu sammeln und Medizinern zur Verfügung zu stellen. So wie es die Stelle in Mainz in diesem Jahr angeht.

Wie groß ist die Bedrohung durch Krebs?
Laut rheinland-pfälzischem Krebsreport erkranken im Laufe des Lebens jeder zweite Mann und 43 Prozent aller Frauen. Der Bericht, der mit Zahlen aus dem Jahr 2013 arbeitet, zeigt: Mehr als 19 000 Menschen starben in dem Jahr an der Krankheit, Männer zumeist an Lungenkrebs, Prostatakrebs (735) und Darmkrebs (662), Frauen an Brustkrebs (887), Lungenkrebs (811) und Darmkrebs (592). Weil die Gesellschaft immer mehr altert, rechnet Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) künftig mit mehr Erkrankungen. Sie sagt: "Es bleibt eine riesige Herausforderung, diese tückische Krankheit zu bekämpfen."

Was ändert sich mit dem Krebsregister?
Das Krebsregister im Land hat das Ziel, Daten zur Behandlung, Therapie und Heilung von Patienten zu sammeln. Bislang fasste es nur zusammen, wie hoch das Aufkommen von Krebs in den einzelnen Regionen des Landes ist - und welche Form der Krankheit besonders häufig auftritt. Die 16 Krebsregister sollen ihre Erkenntnisse untereinander austauschen, um bundesweit ein großes Datennetz zu haben, sagt Bätzing-Lichtenthäler.

Welche Vorteile bietet das Register dem Patienten?
Babette Simon von der Unimedizin Mainz sagt, die Werte könnten behandelnden Ärzten helfen, Therapien gezielt auf Patienten abzustimmen und zu prüfen, wie Behandlungen im bundesweiten Vergleich anschlagen. Das Register könne auch Einblicke geben, in welchen Einrichtungen Krebs besonders erfolgreich behandelt werde. Patienten profitierten auch, wenn sie nach einer Erkrankung umgezogen seien oder wenn alte Unterlagen fehlten, sagt Sylke Zeißig: "Ärzte können über das Register dann schnell nachvollziehen, wie der Krankheitsverlauf war."

Wie kommt das Krebsregister an die Daten?
Behandelnde Ärzte und Kliniken sollen die Daten an das Krebsregister weiterleiten. Momentan noch in Form eines Fragebogens, künftig über ein elektronisches Meldeportal. Derzeit werbe das Krebsregister noch dafür, die Angaben weiterzuleiten. "Wir streben an, 100 Prozent der Informationen zu bekommen", sagt Antje Swietlik von der Geschäftsleitung in Mainz. Gesetzliche Sanktionen drohen Ärzten in Rheinland-Pfalz bislang nicht, sollten sie der Meldepflicht nicht nachkommen. In Hamburg könnte Medizinern in einem solchen Fall dagegen eine Strafe von bis zu 50.000 Euro winken, sagt Swietlik.

Was sagen Betroffene zu dem Krebsregister?
Yamina Cherair war 2007 an Brustkrebs erkrankt und sitzt heute im Landesvorstand der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Sie sagt: "Ich wäre froh gewesen, wenn Ärzte möglichst viele Daten gehabt hätten, um schnell die richtige Therapie zu finden." Monika Grundheber, die eine onkologische Praxis in Trier führt, befürwortet die Erhebungen ebenfalls. Sie warnt aber vor dem Aufwand, der in den Praxen entstehe. Arzthelfer müssten mehrseitige Bögen ausfüllen, mit kleinteiligen Angaben zur Behandlung. "Eine geschulte Kraft braucht dafür 30 Minuten", sagt Grundheber. Die Ärztin schließt nicht aus, dass so manche Praxis mit ihrem Personal an Grenzen stoßen könnte.

Was sagen Datenschützer?
Dieter Kugelmann weiß, dass in Mainz künftig hochsensible Patientendaten liegen. Der Landesdatenschutzbeauftragte zweifelt aber daran, dass Internetspione ein Interesse an solchen Daten haben könnten. Laut Kugelmann war der Datenschutz beim Aufbau des Krebsregisters eingebunden und beobachtet nach wie vor gründlich den Umgang mit den Daten. Antje Swietlik sagt, Patienten hätten überdies die Chance, Widerspruch einzulegen, wenn ihre personalisierten Daten nicht ins System eingehen sollen.
Extra

Das Krebsregister Rheinland-Pfalz wird seit 2014 als eigenständiges Unternehmen in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) geführt. Gesellschafter sind zu 60 Prozent das Land Rheinland-Pfalz sowie die Universitätsmedizin Mainz. Schon seit mehr als 20 Jahren werden im Krebsregister die epidemiologischen Daten, also Auftreten und Häufigkeit von mehr als 27 Krebsarten erfasst. Die 32 Mitarbeiter des Krebsregisters stellen die Erfassung der Daten zurzeit um, so dass auch klinische Angaben zu Behandlung und Verlauf aufgenommen werden. Für die Forschung und die Öffentlichkeit werden die Daten nach den Vorgaben des Datenschutzes anonymisiert; nur behandelnde Ärzte erhalten auch Zugriff auf die Krankheitsgeschichte ihrer Patienten. dpa

Weitere Infos im Internet: krebsregister-rlp.de 

Mehr zum Thema

Was Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler vom Krebsregister hält, sagt sie im Video-Interview

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort