Schule Frau Hubig und die zwergengroße Reform

Mainz · Gerichte retten kleine Grundschulen vor dem Aus und blamieren das Land. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin wehrt sich gegen Kritik – und bemängelt fehlende Unterstützung.

Frau Hubig und die zwergengroße Reform
Foto: Peter Zschunke

Auf dem Tisch liegt eine Schultüte, in der Kaubonbons und Kekse stecken. Daneben türmen sich in Papier eingewickelte Pausenbrote, die mit Käse belegt sind. Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium hat sich was einfallen lassen, wenige Tage vor dem Schulstart. Ministerin Stefanie Hubig redet dann auch fast 40 Minuten lang über alles, was ihr im Land wichtig erscheint: Lehrer, Digitales, Sprachkurse. Doch sie stößt an diesem Tag auf taube Ohren. Denn als die SPD-Politikerin sich den Fragen von Journalisten stellen muss, holt sie die Reform der Dorfschulen ein, die Hubig zum wiederholten Male vor die Füße fällt – diesmal vor Gericht.

Erst beschloss das Verwaltungsgericht Koblenz, dass die Hunsrück-Dorfschule in Lieg nicht schließen darf, wie von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier verfügt. Nun stoppte das Gericht auch das Aus für die Schule in Kirchen-Herkersdorf (Kreis Altenkirchen). Damit hat die Zwergschulenreform nur noch Zwergengröße. 41 Grundschulen prüfte das Land, weil sie zu klein waren. Fünf von ihnen drohte am Ende das Aus. Wo mit Klotten die kleinste Zwergschule des Landes früh schloss, bleiben nach den verlorenen Eilverfahren vor Gericht nur noch Reifferscheid (Kreis Ahrweiler) und Frankenstein (Kreis Kaiserslautern) übrig.

Doch auch dort steht noch ein Urteil des Gerichts aus – und vielleicht eine neue Klatsche für die Landesregierung. Von den 14 Grundschulen, die in der Region Trier zitterten, schloss keine. In den Dörfern gab es Proteste, Kinder malten Plakate, spielten selbst gesungene Lieder auf Youtube ein.

„Ist das Ihre größte Schlappe, Frau Hubig?“, fragt ein Journalist die Bildungsministerin. Hubig antwortet feurig. „Mein Ziel war es nie, kleine Grundschulen zu schließen“, verteidigt sich die 49-Jährige. Das Verfahren, Schulen zu prüfen, führt Hubig auf einen Auftrag des Landesrechnungshofs zurück. Mit den Urteilen des Gerichts sei sie „nicht glück­lich, genauso wenig wie die ADD“. Dennoch werde die Behörde darauf verzichten, gegen die Entscheidungen des Gerichts vorzugehen. Eltern und Kindern sollten nun in ein unbeschwertes Schuljahr gehen. „So ist Demokratie“, sagt Hubig. „Mal gewinnt man, mal gewinnt man nicht.“

Zugleich beklagt die SPD-Ministerin fehlende Unterstützung. Hinter verdeckter Hand sei ihr oft gesagt worden, es sei richtig, was sie vorhabe. Öffentlich hätten sich die gleichen Leute dann für den Erhalt der Schulen ausgesprochen. „Das ist nicht verantwortungsvoll“, klagt Hubig. Das Verfahren, mit allen kommunalen Akteuren vor Ort zu sprechen, habe nicht funktioniert, weil niemand bereit gewesen sei, über die Schließung der Schulen zu sprechen.

Angriffe auf die ADD unterlässt die Ministerin, die von einem „sorgfältigen Verfahren“ spricht. Die Gerichte sehen das anders. Bei Lieg wehrte das Gericht das Aus ab, weil die ADD eine Fusionsvereinbarung von Verbandsgemeinden nicht berücksichtigt habe, nach der die Grundschule erhalten bleiben sollte.

Bei Kirchen-Herkersdorf monierte das Gericht, dass manche Kinder mit dem Bus 35 Minuten zur nächsten Schule fahren müssten. Dabei sollen Fahrten von Grundschülern höchstens 30 Minuten dauern. ADD-Präsident Thomas Linnertz sagt auf TV-Anfrage: „Wir nehmen die Hinweise des Gerichts sehr ernst, auch wenn man in dem einen oder anderen Punkt geteilter Auffassung sein könnte.“ Hubig kündigt an, das Land wolle künftig die Schulträger stärker bei der Planung in die Pflicht nehmen.

Die Ministerin verweist aber darauf, noch andere Aufgaben in der Bildungspolitik zu haben. Wie die Planstellen bei Lehrern. Fachkräftemangel herrscht im Land bislang nur bei den Förderschullehrern, wo zum Beginn des Schuljahres 20 Posten nicht besetzt sind. Alle Planstellen in Grundschulen seien dagegen besetzt – was Hubig besonders freut, zumal Bundesländer bereits um den Lehrer-Nachwuchs für die Kleinsten rangeln, der dem Arbeitsmarkt immer mehr abhanden kommt. Das Land stelle Lehrer inzwischen über das ganze Jahr ein, gebe früh Garantien auf Einstellung und erhöhe den Beamtensold in den kommenden beiden Jahren um je zwei Prozent, nennt Hubig als Erfolge. Der deutschlandweite Mangel an Grundschullehrern bereite ihr aber Sorge. „Wir leben nicht hinter dem Mond“, weiß die Ministerin.

Und doch kann sie es nicht ändern, an diesem Donnerstag vor allem Fragen zu den Dorfschulen zu hören. Als sie diese alle beantwortet hat, greift Stefanie Hubig erst einmal glücklich zu einem Kaubonbon. Wenigstens einmal was Süßes an diesem doch recht sauren Morgen.

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