Fünf Millionen Euro für Pleite-Unternehmen

Lautzenhausen · Die ehemaligen Hahn-Geschäftsführer hätten der später Pleite gegangenen Frachtfluggesellschaft ACG keinen Kredit gewähren dürfen: Das behauptet der rheinland-pfälzische Steuerzahlerbund. Er begründet damit seine Anzeige gegen die Ex-Flughafen-Chefs.

Am 8. Oktober 2012 haben die damaligen Hahn-Geschäftsführer Jörg Schumacher und Wolfgang Pollety einen Kreditvertrag unterzeichnet: Fünf Millionen Euro gewährten sie damit der damals noch auf dem Hahn beheimateten Frachtfluggesellschaft Air Cargo Germany (ACG). 29 Monate sollte das Darlehen laufen, mit einer Verzinsung von 4,5 Prozent. Bis zum 30. November 2013 sollten nur Zinsen, aber keine Tilgung fällig sein. Bis April zahlte die Gesellschaft, die laut im Internet veröffentlichten Jahresbilanzen hoch verschuldet war, auch die vereinbarten Zinsen. Im Mai meldete ACG Insolvenz an. Mittlerweile ist das Unternehmen pleite. Die fünf Millionen Euro hat die Flughafengesellschaft abgeschrieben. Auch das Land hat einen über die landeseigene Investitions- und Strukturbank für ACG gewährten Kredit in gleicher Höhe abgeschrieben.

Vor einem Jahr schuldete die ACG dem Hahn 5?245?059,80 Euro. 245?000 Euro bezahlte das Unternehmen, die restlichen fünf Millionen Euro wurden ihm von den Hahn-Chefs als Darlehen gewährt. "In fahrlässiger Weise", wie René Quante, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Steuerzahlerbundes, Schumacher und Pollety vorwirft.

Hinweis auf Überschuldung

Die beiden hätten wissen müssen, so Quante, dass ACG zu diesem Zeitpunkt überschuldet war und keine eigenen Vermögenswerte als Kreditsicherheit stellen konnte. Auch die Tatsache, dass keiner der ACG-Gesellschafter - darunter die russische Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr - bereit war, für das Unternehmen zu bürgen, hätte bei den beiden Hahn-Geschäftsführern "bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung" zu einer Ablehnung des Kredites führen müssen, sagt Quante.

Schließlich sei damit das komplette Kreditrisiko auf den Hahn abgewälzt worden. Und das, obwohl der Hahn, an dem das Land Rheinland-Pfalz mit 82,5 Prozent und Hessen mit 17,5 Prozent beteiligt ist, selbst hoch verschuldet sei. Damit begründet Quante seine Anzeige wegen Untreue gegen Schumacher und Pollety. Pollety, seit Anfang November Geschäftsführer am Flughafen Frankfurt, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.
Für 2011 wies ACG in der Jahresbilanz ein Minus von 22 Millionen Euro auf. Zusammen mit dem Minus von 2008 bis 2010 wurde ein Fehlbetrag von 33,7 Millionen Euro ausgewiesen.

"Ambitionierte Planung"

Nachdem in der Bilanz 2011 von einer Überschuldung die Rede war, ließen sich die damaligen Hahn-Chefs offensichtlich einen Geschäfts- und Liquiditätsplan von ACG vorlegen. Externe Berater hätten die Planung als "ambitioniert" charakterisiert, schrieb der heutige Hahn-Chef Heinz Rethage Anfang Oktober an Quante. Auf Rethages Antworten auf einen vom Steuerzahlerbund vorgelegten Fragenkatalog stützt sich nun die Anzeige gegen Schumacher und Pollety. Dabei hatte sich Rethage zunächst geweigert, Quante Auskunft zu geben. Erst als dieser mit einer Klage drohte, beantwortete der jetzige Hahn-Geschäftsführer die Fragen. Demnach wurde offenbar nicht die Bonität von ACG geprüft.

Was Quante jedoch besonders ärgert: Nach seinen Informationen war ACG kurz nach der Kreditbewilligung ausreichend liquide, um alle Forderungen des Flughafens Hahn zu begleichen, ohne selbst in die Zahlungsunfähigkeit zu geraten. Das sei den damaligen Hahn-Chefs bekannt gewesen, behauptet Quante. Er macht allerdings keine Angaben dazu, woher ACG das Geld hatte, sondern beruft sich auf vertrauliche Informationen. Jedenfalls sei der Kredit nicht nötig gewesen, um eine vorzeitige Insolvenz von ACG zu verhindern, sagt Quante. Die Hahn-Geschäftsführung hätte auf der Begleichung ihrer Forderungen bestehen müssen, "nötigenfalls mit einer Klage".

Guter Zeitpunkt verpasst?

Ohne Not sei ein "guter Zeitpunkt" verpasst worden, um rechtzeitig und ohne Schaden aus der "hochriskanten ACG-Finanzierung" auszusteigen, sagt Quante. Laut Rethages Antwort an Quante hätte das Einklagen der Forderungen womöglich das vorzeitige Aus von ACG bedeutet.
Laut dem jetzigen Hahn-Chef erfolgte die Kreditvergabe in Abstimmung mit dem damaligen Hahn-Aufsichtsratschef Johannes Endler. Zwei Monate später sei der komplette Aufsichtsrat darüber informiert worden. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Landtagspräsident Joachim Mertes hält die Vorwürfe des Steuerzahlerbundes für "absurd". Quante sei "ein aufdringlicher Geschäftsführer des Bundes einiger Steuerzahler, der seinen neuen Stuhl in der Öffentlichkeit noch anstreichen muss."

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