Geld nur noch für das Nötigste

Auf 12,5 Milliarden Euro sind die kommunalen Schulden landesweit angewachsen. Während bei Gemeinden und Städten steigende Gewerbesteuereinnahmen gewisse Entlastung bringen, beklagen die Landkreise eine "verheerende Finanzsituation". Auf 900 Millionen summieren sich die Fehlbeträge allein in ihren Haushalten.

 Nichts zu holen: Die Kassen der Kreise sind leer. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Nichts zu holen: Die Kassen der Kreise sind leer. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Mainz. "Wir können nur noch das Notwendigste leisten", sagt Helmut Klassmann von der Kreisverwaltung Vulkaneifel. Freiwillige Leistungen des landesweit kleinsten Kreises gibt es so gut wie keine mehr: Der Wildpark Daun, das Heimatmuseum Gerolstein und die Jugendfreizeitstätte sind verkauft, die Kreisvolkshochschule geschlossen und die Musikschule privatisiert. Die Kassenkredite liegen bei über 30 Millionen Euro und haben die Tendenz gegen 40 Millionen, dazu noch einmal 28 Millionen langfristige Schulden - und wenig Hoffnung, aus der Schuldenspirale herauszukommen. Mitte April will der Kreistag über die Forderung nach einem Soforthilfeprogramm des Landes für die Landkreise beraten. Ähnliche Resolutionen sind in den anderen Landkreisen der Region angekündigt oder absehbar. Von einer "chronischen Unterfinanzierung" spricht Landkreistag-Vorsitzender Hans Jörg Duppré, Landrat des Kreises Südwestpfalz. 21 der 24 rheinland-pfälzischen Kreise kämpfen mit Fehlbeträgen, die sich zum Jahresende auf 900 Millionen summieren dürften. Eine ständige Erhöhung der Umlage, die von den Kommunen an den Kreis abgeführt werden müssen, löst aus seiner Sicht das Finanzproblem bei weitem nicht. An eigenen Steuereinnahmen kassieren die Kreise nur noch die Jagdsteuern. Nun fordern sie eine Beteiligung am bundesweiten Umsatz-Steueraufkommen. Doch kurzfristig müsse es eine Soforthilfe des Landes geben, bei dem die Steuerquellen inzwischen wieder reichlicher sprudelten, so Duppré.In Trier-Saarburg gehören die Kreisstraßen zu den dringendsten Problemen, weil sie zu den landesweit schlechtesten gehörten, sagt Landrat Günther Schartz. In Hermeskeil und Saarburg müssen wegen wachsender Schülerzahlen die Gymnasien ausgebaut werden. Der Kreis Bitburg-Prüm hat bereits viele Sparrunden hinter sich, weiß Landrat Roger Graef. Trotz sind seit 2001 knapp 22 Millionen Euro Kassenkredite und 35 Millionen Euro längerfristige Schulden aufgelaufen. Dazu ergeben die Berechnungen noch einmal 21 Millionen Euro an Pensionslasten. Ohne zusätzliche Hilfen und eigene Einnahmen werden die Kreise zerrieben, warnt Graef.Blick durch die falsche Brille

Die CDU hat bereits auf den Hilferuf der Landkreise reagiert und einen größeren Anteil der Kommunen am Steuer-Aufkommen gefordert. So könnten 80 bis 85 Millionen Euro jährlich mehr in die kommunalen Kassen fließen. Heftige Gegenwehr zu diesem Vorschlag kommt allerdings von der SPD. "Unredlich" sei es, vom Land mehr Geld für die Kommunen zu fordern und ansonsten der Regierung mangelnden Sparwillen und Schuldenabbau vorzuwerfen.Auch Regierungschef Kurt Beck sieht derzeit keinen Anlass, den Landkreisen zusätzlich unter die Arme zu greifen. Sie seien bereits beim Ausgleich für die Kosten von Hartz IV von Bund und Land besonders berücksichtigt worden, argumentiert Beck. Im bundesweiten Vergleich stünden die Kreise bei der Finanzausstattung durch das Land durchaus respektabel da.Für den Landkreistag ist dies ein Blick durch die falsche Brille. In vielen Kreisen könne die Finanzlage nur noch als desaströs bezeichnet werden, stellt Duppré fest. Meinung Den Letzten beißen die Hunde Städte und Gemeinden gehen finanziell am Krückstock, doch bei den Landkreisen brauchen die meisten gleich zwei Gehhilfen, um sich auf den Beinen zu halten. 21 von 24 schieben hohe Kassenkredite vor sich her und wissen nicht aus der Schuldenfalle herauszukommen, zumal die neue kaufmännische Buchführung ein realistischeres und damit meist noch schlechteres Bild ihrer Finanzlage zeigt. Vor allem die explodierenden Soziallasten seit Mitte der 90er-Jahre haben für eine rasante Verschuldung gesorgt. Die Kreise wurden mit ihren Pflichtaufgaben von der Sozial- bis zur Jugendhilfe von Bund und Ländern allein gelassen. Der später versprochene Ausgleich über Hartz IV brachte nicht die erhoffte Entlastung. So bleibt es wie so oft: Den Letzten beißen die Hunde. Die Kreise können nur sparen und die Umlage der Kommunen erhöhen, um sich mehr Geld zu beschaffen. Damit wird meist Nackten in die Tasche gegriffen. Die Forderung nach Soforthilfe des Landes ist daher nahe liegend, löst jedoch nicht das Einnahme-Problem. Durch die 2007 erhöhte Mehrwertsteuer saniert sich vor allem der Bund. Der Ruf der Kreise nach einem Anteil an dieser Steuer ist berechtigt. Doch ob er bei den Verteilungskämpfen der geplanten Finanzreform erhört wird, ist fraglich. Den Letzten beißen bekanntlich … j.winkler@volksfreund.de

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