Glühender Phosphor

Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 stand den Menschen in Trier und anderswo noch ein harter Kriegswinter bevor. In unserer Serie "Kriegsweihnachten 1944" erzählen Zeitzeugen im Trierischen Volksfreund ihre Erlebnisse zum letzten Weihnachtsfest im Kriegszustand.

Matthias Thömmes, Wallenborn:Waren bis 1943 die Weihnachtsfeste in der Eifel noch verhältnismäßig friedlich verlaufen, wurde das 1944 schlagartig anders. Die Bomberströme der Alliierten flogen nun nicht mehr harmlos über die Eifel hinweg, sondern warfen ihre Bomben auch auf kleinere Orte. Jagdbomber operierten über dem linksrheinischen Gebiet und hatten die Aufgabe, den deutschen Nachschub durch Angriffe auf Verkehrswege zu unterbinden. Bei ihren Angriffen flogen die Jabos oft so tief, dass man die Piloten in den Cockpits deutlich erkennen konnte.So kam das Weihnachtsfest 1944. Schon Wochen vorher war der Ort mit Einheiten der Waffen-SS, darunter Panzerverbände mit den Typen "Tiger" und "Panther", belegt worden, denn Hitler startete am 16. Dezember die Ardennenoffensive, die an Weihnachten ihren Höhepunkt hatte. Damit eskalierten auch die Bomben- und Jabo-Angriffe.In Wallenborn ging es schon am 23. Dezember los. Draußen hatte es geschneit, und es herrschte starker Frost bei klarem Wetter. Mutter hatte alles für das Weihnachtsfest vorbereitet, und wir waren froh gestimmt. Plötzlich wurde der Ort von Leuchtbomben erhellt, und kurz darauf fielen Sprengbomben ins Ortszentrum, zerstörten mehrere Häuser und töteten vier Menschen.Am 1. Weihnachtstag ging es weiter. Ich befand mich gerade auf dem Weg zum Weihnachtshochamt, als amerikanische Jabos im Tiefflug angriffen. In letzter Sekunde konnte ich mich hinter einen Zaun flüchten, als ein Flugzeug im Tiefflug auf mich zukam und eine Phosphorbombe ausklinkte, die ich auf mich zukommen sah. Voller Entsetzen sprang ich auf und lief zwischen den Häusern und Gärten hindurch aufs freie Feld, während rechts und links neben mir die glühenden Phosphorfladen auf den Boden klatschten und hinter mir ein Haus und eine Scheune in Flammen aufgingen. Während beherzte Männer versuchten, die Brände zu löschen, flüchtete mit mir die Bevölkerung aus dem Ort und suchte Schutz in Heuschobern und Bretterschuppen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit wagten wir uns zurück.Zwei Scheunen und das Wohnhaus von Schanz waren ein Opfer der Flammen geworden. Die Jabos waren so tief geflogen, dass ihr Luftsog das Dach des Wohnhauses mitgerissen hatte. Im ganzen Ort roch es nach verbranntem Heu und Phosphor. Das Ortszentrum bot einen verheerenden Anblick. Ab diesem Zeitpunkt suchten die Wallenborner tagsüber in selbstgebauten Bunkern außerhalb des Orts vor den nun ständig wiederkehrenden Luftangriffen Schutz. Alle waren erleichtert, als der Einzug der Amerikaner am 5. März 1945 diesem ganzen Spuk endlich ein Ende machte. TV-Leser Matthias Thömmes , Jahrgang 1932 und gebürtiger Kendenicher (Raum Köln), lebte seit 1939 in Wallenborn - dem Heimatort seiner Eltern. Der Oberlehrer im Ruhestand wohnt heute in Philippsheim.

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