Abgang des Ministerpräsidenten „Gott schütze Rheinland-Pfalz“: Vogel-Sturz schmerzt noch nach 30 Jahren

Mainz/Daun/Kaschenbach · Vor 30 Jahren warf der Ex-Ministerpräsident der CDU in einem emotionalen Auftritt hin. Sein Abgang sorgt heute für Sprüche unter Brüdern und Eifelern.

 Hielt damals zu Hans-Otto Wilhelm: Herbert Schneiders.

Hielt damals zu Hans-Otto Wilhelm: Herbert Schneiders.

Foto: TV

Hans-Jochen Vogel zieht seinen Bruder gerne mit dem bekannten Satz auf. „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ sagte ein völlig frustrierter Bernhard Vogel vor 30 Jahren in Koblenz, wo ihn die CDU als Landeschef stürzte und er freiwillig seinen Posten als Ministerpräsident räumte. „Dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen“ sage ihm sein Bruder gerne über den zur Legende gewordenen Satz. Denn der Vogel-Sturz ebnete den Sozialdemokraten den Weg, um 1991 führende Regierungspartei zu werden und bis heute zu bleiben. Ganz nach dem Geschmack von Vogels Bruder, einem SPD-Mann. „Das ist natürlich die Meinung meines hochgeschätzten Bruders, nicht meine Sicht“, sagt Bernhard Vogel, der weiß: „Dieser Satz wird mich überleben.“

Nach wie vor schmerzt Vogel die Erinnerung an den 11. November 1988, der sich gestern zum 30. mal jährte. „Es war der Tag meiner größten Niederlage, meiner größten Enttäuschung. Die Wunden sind verheilt, die Narben sind geblieben“, sagt der 85-Jährige. Vogel verlor an jenem Tag die Kampfabstimmung gegen Hans-Otto Wilhelm mit 189 zu 258 Stimmen. „Der 11. November 1988 war wie ein Blitz, der in die CDU eingeschlagen hat“, sagt der Dauner Herbert Schneiders, der damals beim Landesparteitag war. Der Vulkaneifeler war ein Befürworter von Wilhelm. Der habe den Fehler begangen, nach dem Rückzug von Vogel nicht selber Ministerpräsident zu werden, sondern den Posten dem Trierer Carl-Ludwig Wagner zu überlassen. Den rigorosen Rücktritt von Vogel versteht Schneiders bis heute nicht. „Er war nicht als Ministerpräsident umstritten, sondern als Chef der rheinland-pfälzischen CDU. Die Partei war für ihn nur ein Anhängsel“, sagt Schneiders.

Sein Eifeler Kumpel Michael Billen spricht von einer Zeit, in der in Kreisverbänden „mit Haken und Ösen“ gestritten worden sei. Dem Kaschenbacher, der auf der Seite von Vogel stand, fallen mehrere Ursachen für den Sturz des CDU-Landeschefs ein: Der Partei sei der Verlust der absoluten Mehrheit bei der Wahl 1987 sauer aufgestoßen. Vogel gewann zwar 45,1 Prozent der Stimmen, musste fortan aber mit der FDP regieren. Die habe ihm wiederum abgerungen, Bürgermeister und Landräte in Urwahlen zu bestimmen, was kommunalen Räten Macht genommen habe. Schon Monate vor dem Parteitag in Koblenz sei die CDU gespalten gewesen in Vogel-Befürworter und Vogel-Gegner. „Es fehlte eigentlich nur noch, dass sich die Leute an der Theke geprügelt haben“, erinnert sich Billen.

Als es zum großen Finale zwischen Vogel und Wilhelm kam, ahnte der Kaschenbacher schnell, wer die Nase vorne haben würde. Es war auch nicht schwer. „Für Vogel gab es Buhrufe, für Wilhelm Gejohle.“ Um Vogel zu helfen, überließ Billen seine Redezeit Heiner Geißler, der in der Zeit Generalsekretär der Bundes-CDU war. „An einem guten Tag war Geißler immer in der Lage, einen Saal zu drehen. Doch bei der Stimmung hat er schon nach dem zweiten Satz nichts mehr gesagt.“ Vogel sagt heute, er habe verdächtige Zeichen nicht früh genug erkannt. Als Ministerpräsident hörte er auf, weil Parteivorsitz und das Regierungsamt für ihn in einer Hand liegen sollten.

Die gebeutelte CDU verlor drei Jahre später die Wahl gegen Rudolf Scharping von der SPD. „Koblenz hat wesentlich zum Sieg von Scharping beigetragen und zu 30 Jahren sozialdemokratischer Regierungsführung in einem der Grundstruktur nach eigentlich mehr christlich-liberal-konservativen Land“, findet Vogel. Er hoffe, die Niederlage diene als Warnung. „Die Führung einer Partei sollte in sich geschlossen sein. Man vertraut den Staat nicht gerne jemandem an, der seinen eigenen Laden nicht im Griff hat.“

Überstanden haben inzwischen alle Seiten den Vogel-Sturz. Der gestürzte Rheinland-Pfälzer gab Jahre später ein Comeback, als ihn die Thüringer zum Ministerpräsidenten wählten. „Ich bin ein Unikat“, sagt der 85-Jährige stolz. Michael Billen und Herbert Schneiders foppen sich dafür in der Eifel, wenn es um die alte Zeit geht. „Du alter HOW-Mann“, rufe er Schneiders gerne mal entgegen, sagt Billen. Der antworte dann meistens trocken: „Du alter Vogel.“

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