Hat der einst stolze Hahn bald ausgekräht?

Mainz · Es war eine denkwürdige Pressekonferenz, zu der der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) gestern kurzfristig in Mainz eingeladen hat. In nur wenigen Sätzen verkündet er, dass der Verkauf des Flughafen Hahn möglicherweise platzt.

Hat der einst stolze Hahn bald ausgekräht?
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Mainz. Ganze vier Minuten dauert die eilends einberufene Pressekonferenz von Innenminister Roger Lewentz (SPD) gestern in Mainz. Wobei es keine Pressekonferenz im eigentlichen Sinn ist. Lewentz, der sehr angespannt wirkt, verliest eine vorformulierte Mitteilung, in der steht, dass der potenzielle Käufer des Flughafens Hahn, die chinesische SYT, bis zum Morgen nicht nachweisen konnte, dass er den Kaufpreis - 13 Millionen Euro für den Flughafen und gut drei Millionen Euro für die ehemalige Wohnsiedlung (Housing) der früher auf der US-Airbase stationierten Soldaten - zahlen kann.

Nachdem Lewentz die Mitteilung verlesen hat, verlässt er den Raum. Fragen der zahlreich anwesenden Journalisten sind nicht erlaubt. Die bleiben ratlos zurück. Beobachter werten das Verhalten von Lewentz so: Innerhalb der Landesregierung brennt die Hütte.
Wochenlang haben Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Lewentz und sein Staatssekretär Randolf Stich Warnungen vor SYT abgetan. Dreyer sagte kurz nach der Vertragsunterzeichnung Anfang des Monats: "Ich habe mich vergewissert, dass alle Sicherheiten eingeholt worden sind, die es gibt." Doch die Zweifel an der Seriosität von SYT wuchsen immer mehr. Vor allem nachdem SWR-Recherchen an den angeblichen Firmensitzen des Hahn-Käufers und dessen angeblichen Geldgebers, eines angeblichen Baukonzerns in Shanghai, keine Hinweise auf deren Existenz ergeben haben. Statt des Baukonzerns hat der SWR-Journalist unter der von der Landesregierung genannten Adresse einen Reifenhändler gefunden. Lewentz betont in seiner denkwürdigen Stellungnahme erneut, dass die Integrität von SYT geprüft worden sei. Es hätten sich "keine Anhaltspunkte für entsprechende Risiken" ergeben.

Darüber hinaus habe man sich mittels einer Bankbestätigung versichern lassen, dass SYT über genügend Geld verfüge, um den vereinbarten Preis zu zahlen.
Laut Lewentz hat SYT sich zum einen verpflichtet, das Geld für die Housing vorzeitig, bevor der Hahn-Verkauf duch den Landtag offiziell besiegelt werden sollte, zu überweisen. Auch hätten die Chinesen in Aussicht gestellt, das Geld für den Flughafen "frühzeitig zahlen zu wollen". Doch laut SYT habe sich die Überweisung des Geldes verzögert, weil die chinesische Regierung diese nicht genehmigt habe. Die vom Land gesetzte Frist ist gestern morgen verstrichen. Die SYT habe zugesagt, "zukünftig vertragstreu sein zu wollen", heißt es in einem gestern verfassten Schreiben von Lewentz an die Vorsitzenden der fünf Landtagsfraktionen. Trotzdem sei für "die Landesregierung der Zeitpunkt gekommen, eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens anzuregen und in eine weitere Prüfung einzutreten", schreibt Lewentz in seinem Brief.

Konkret heißt das, dass die für in zwei Wochen geplante abschließende Beratung über das Gesetz zum Hahn-Verkauf im Landtag erst mal ausgesetzt wird.
Wie sehr es wegen des wohl geplatzten Hahn-Deals innerhalb der Landesregierung zu krachen scheint, zeigen auch die Reaktionen der beiden FDP-Minister im Ampel-Kabinett. Eine Sprecherin von Justizminister Herbert Mertin bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass der Minister das Gesetz "rechtsförmlich" geprüft und Änderungsvorschläge gemacht habe. "Die fachliche Verantwortung für den Inhalt des Gesetzes obliegt allein dem federführenden Ministerium", sagt die Sprecherin des Jusitzministeriums. Und der liberale Wirtschaftsminister Volker Wissing verlangt, dass Lewentz die "offenen Fragen" zügig klärt: "Der Hahn und die Region brauchen Gewissheit über die Zukunft des Flughafens." Zurückhaltender äußert sich Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun: "Ich bin enttäuscht, aber ich fühle mich nicht getäuscht." Offenbar handele sich bei SYT nicht um den validen Käufer, als der er präsentiert worden sei, sagt Braun unserer Zeitung.Extra

Er stehe bereit, wenn man auf ihn zukomme, sagte gestern Siegfried Englert. Der ehemalige Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium und Professor für China-Studien steht einem Konsortium verschiedener chinesischer Unternehmen namens ADC vor, das neben der SYT für den Kauf des Flughafens Hahn geboten hat. Ein Euro plus der Kassenstand des Hahn sei sein Angebot gewesen, daran halte er auch weiter fest, sagte Englert gestern dem TV. Im Gegensatz zu SYT könne er einen Geschäftsplan und auch einen "belastbaren" Flugplan vorlegen. Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte gestern angekündigt, "notfalls mit einem der anderen Interessenten" zu verhandeln. Indirekt gab Lewentz der EU die Schuld daran, dass das Land dem in Verruf geratenen Investor SYT den Zuschlag gegeben habe. Das EU-Recht schreibe vor, dass beim Verkauf öffentlicher Unternehmen das Land nur den Kaufpreis, nicht aber Geschäftspläne zugrundelegen dürfe. SYT hat bekanntermaßen 13 Millionen Euro für den 82,5-prozentigen Anteil von Rheinland-Pfalz am Hahn geboten. Englert sagte, er habe Lewentz vorige Woche einen Brief geschrieben und noch einmal bestätigt, dass ADC weiter als Interessent zur Verfügung stehe. Laut Englert steht ADC in Kontakt mit der chinesischen Frachtfluggesellschaft Yangtze River Express, um diese an den Hahn zurückzuholen. Auch SYT hatte das zugesagt. Doch es zeigte sich schon bald, dass die Fluggesellschaft davon nichts wusste. wie

Kommentar

Die Bruchlandung von Minister Lewentz
Fangen wir mit dem Positiven an: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat Zweifel an dem Deal mit einem chinesischen Investor bekommen und den Verkauf des Hunsrück-Flughafens Hahn gestoppt. Last minute, aber wohl noch früh genug, weil der bereits notariell beurkundete Verkauf erst wirksam ist, wenn der Landtag mehrheitlich zugestimmt hat. Der Rest der Geschichte ist eine Aneinanderreihung von Peinlichkeiten und Schlampereien.

Denn allen Warnungen zum Trotz scheint die Landesregierung - wie schon beim Nürburgring - erneut einen Käufer an Land gezogen zu haben, der nicht alle Karten offen auf den Tisch legt und an dessen Seriosität es ernsthafte Zweifel gibt. Das haben nicht die vom federführend verantwortlichen Innenministerium beauftragte Beraterfirma KPMG oder das Ministerium selbst herausgefunden, sondern Journalisten - übrigens ohne große investigative Recherche.

Sie fragten einfach nach, überprüften Adressen. Wäre das nicht vor Vertragsabschluss auch Job der Regierung gewesen? Zwei, drei Anrufe und ein virtueller Besuch der angegebenen Adressen in Shanghai hätten womöglich schon gereicht, um stutzig zu werden. Stattdessen aber fuhrwerkten die Verantwortlichen beim Hahn offensichtlich nach dem Motto: Augen zu und durch, es wird schon irgendwie gutgehen! Es wurde eine Bruchlandung, wie spätestens seit gestern klar ist. Und es ist nicht damit getan, dass nun neue Verhandlungen mit den beiden anderen Interessenten aufgenommen oder rechtliche Schritte gegen den mutmaßlichen chinesischen Aufschneider geprüft werden. Beides sind Selbstverständlichkeiten. Der geplatzte Hahn-Verkauf muss personelle Konsequenzen haben. Wenn der verantwortliche Innenminister Roger Lewentz nicht von sich aus geht, muss Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihn vor die Tür setzen. Auch wenn sich die SPD dann noch einen neuen Parteivorsitzenden suchen muss. r.seydewitz@volksfreund.de

Land stoppt Verkauf des Flughafens Hahn - CDU fordert Sondersitzung im Landtag

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