Hirn-Doping auf dem Campus

Trier · Mainzer Forscher haben belegt, was auch ein Student an der Uni Trier erlebt und Ärzte in ihrer Praxis: Etliche Studenten greifen wohl zu Medikamenten, um ihre kognitiven Leistungen zu verbessern. Leistungssteigernde Medikamente sind auch an der Universität Trier gefragt.

Für Tom K. (Name geändert) gehört der Griff zur Tablette zum Alltag wie das morgendliche Zähneputzen. Er hat ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom) und nimmt das verschreibungspflichtige Methylphenidat, bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin. Es regelt Vorgänge in seinem Gehirn, damit er sich besser fokussieren kann, wie er sagt. "Mit der Tablette fällt es mir deutlich leichter, etwa vier Stunden am Stück ein Buch zu lesen", sagt der 22-Jährige. Dass er Ritalin nimmt, wissen einige Kommilitonen. "Es gibt ein reges Interesse an der Wirkung von Ritalin", sagt er.

Hohe Nachfrage vor Klausuren

Oft werde er gefragt, ob er nicht noch eine Tablette übrig hätte oder Packungen besorgen und verkaufen könne. Es gehe dabei darum, sich mit Hilfe der Pille besser konzentrieren und effektiver arbeiten zu können, um eine höhere Produktivität zu erzielen. Besonders stark sei die Nachfrage vor Klausuren.

Mainzer Forscher haben herausgefunden, dass jeder fünfte Student Pillen schluckt, um bessere Leistungen zu erreichen. Dass die Wissenschaftler mehr Studenten festmachten, die ihr Hirn dopen, als bisherige Studien ergeben hatten, hängt laut Forscher Andreas Franke mit der angewandten Methode (Randomized Response Technique) zusammen. "Diese Technik macht es möglich, für die Befragten selbst erkennbar Anonymität zu gewährleisten", sagt Franke. Festgestellt wurde ebenfalls: "Diejenigen die sich körperlich dopen, wollen häufig auch ihren Geist mit Hilfe von Medikamenten verbessern", sagt Franke.

Kann man bei der Einnahme von Koffeintabletten schon von Hirndoping sprechen? "Anders als bei der Tasse Kaffee muss man, um Koffeintabletten zu erhalten, zur Apotheke gehen", sagt Franke. Das Ergebnis der Studie hängt nach Meinung des Trierer Soziologen Gerrit Fröhlich mit unterschiedlichsten Faktoren zusammen. "Studenten wachsen heute in einer ökonomisierten Umwelt auf", sagt er. Dazu zähle auch der Trend, das Selbst permanent körperlich und geistig optimieren zu müssen sowie für das eigene Scheitern verantwortlich zu sein. Das Ich werde wie ein Unternehmen geführt, aus dem es gelte, Maximalwerte herauszuholen, sagt Fröhlich. Dabei werde der Griff zu Medikamenten als eine einfache Weise wahrgenommen, den Geist zu optimieren. Ein gefährlicher Griff, meinen Frank Soedradjat und Hansjörg Lucas. Soedradjat ist Allgemeinarzt in Fell und Luxemburg, Lucas Mediziner und systemischer Familientherapeut. Seit rund fünf Jahren sei die Zahl der Studenten, die in die Praxis kämen und über Ängste und Stress klagten sowie nach Medikamenten verlangten, explodiert. Beide warnen vor den Risiken durch die Einnahme von Arzneimitteln, die ursprünglich für Kranke bestimmt sind, und vor Drogen. "Dies kann bis hin zu Depressionen und Psychosen führen", sagt Lucas. Mit Vorträgen sensibilisieren sie für das Thema.

Tom K. gibt die Medikamente, die er unter ärztlicher Kontrolle nimmt, nicht weiter. Er glaubt, dass Hirndoping viele Ursachen hat. Ein Grund sei sicher auch der Bologna-Prozess. Anders als bei Diplom-Studiengängen sei heute jede Prüfung relevant. Auch erzeugten manche Eltern "enormen Druck". "Wo kommen wir hin, wenn eine Gesellschaft nur noch unter Drogeneinfluss funktioniert?", fragt der junge Mann.Extra


Stress verhindern statt Pillen schlucken: Anette Müller-Bungert, Psychologin am Pädagogischen Landesinstitut in Trier, gibt Tipps.

Stressmacher entlarven
Was löst Stress aus? Neben sogenannten Stressoren wie Lärm, schlechtes Klima, Enge in Räumen, gibt es auch individuelle Stressverursacher. Hat man diese erst einmal identifiziert, kann man ihnen entgegenwirken.

Gut planen
Prüfungssituationen werden oft als stressreich erlebt. Es hilft, genau zu planen, wann was gelernt werden muss. Am besten so, dass man mindestens einen Tag vor der Prüfung fertig ist. Und nicht vergessen: Pausen einlegen.

Das biologische Erbe nutzen
Im Stress wird unser Körper fit gemacht zum Kämpfen oder Fliehen. Das ist unser biologisches Erbe. Stress lässt sich dadurch abbauen, dass wir Energie nutzen: für Ausdauersport, Garten- und Hausarbeit oder tanzen.

Entspannungsmethoden erlernen
Wir alle kennen die Bilder von Asiaten, die ihre Tai-Chi oder Yoga-Übungen machen. Bei uns sind diese Bilder eher selten. Dabei helfen Methoden wie auch autogenes Training oder progressive Muskelentspannung, den Organismus belastbarer zu machen.

Die Gedanken ändern
Häufig ist es nicht die Wirklichkeit, die uns stresst, sondern die Gedanken, die wir uns über die Wirklichkeit machen. Gedanken beeinflussen Gefühle. Anders zu denken, kann man lernen. Mit Hilfe eines Therapeuten oder des Buchs "Gefühle verstehen - Probleme bewältigen" von Wolf & Merle.

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