Hochmoselbrücke: Nur noch ein Widerwort vom Chefgeologen

Mainz · Chefgeologe Harald Ehses hat ein neues Gutachten zur Standfestigkeit der umstrittenen Hochmoselbrücke erwirkt. Die beauftragten Experten hegen keine Bedenken gegen den Bau, machen aber Einschränkungen – und eine Bemerkung, die Ehses aufregt.

Drangvolle Enge im Wappensaal des Landtags: Journalisten, Politiker, Verwaltungsleute und Fraktionsmitarbeiter rücken zusammen. Es geht bei dieser Sitzung von Innen- und Wirtschaftsausschuss um ein brisantes Thema, die Sicherheit der Hochmoselbrücke.

Zuvor waren Zweifel aufgekommen, ob die Standfestigkeit des 160 Meter hohen Bauwerks gründlich genug untersucht wurde. Harald Ehses, Chefgeologe des Landes, hatte die kontroverse Diskussion in Gang gebracht und ein zusätzliches hydrogeologisches Gutachten gefordert. Dafür war ihm zeitweise ein Maulkorb von der Landesregierung verpasst worden. Die Extra-Expertise liegt jetzt vor - und gibt grünes Licht für den Weiterbau des derzeit größten Brückenbauprojekts Europas.

9.50 Uhr: Harald Ehses betritt den Wappensaal. Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, schwarz-grau gemusterte Krawatte. Überall ein freundliches Hallo im Raum. Behördenvertreter plaudern miteinander, Abgeordnete, Pressesprecher, zwei Staatssekretäre. Man kennt sich. Mit Ehses spricht kaum jemand. Viele Medienvertreter kennen ihn, haben ihn aber noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen. Als Landesbeamter kann er nicht reden, wann und was er will.

10.11 Uhr: Mit leichter Verspätung beginnt die Sitzung. Innenstaatssekretär Günter Kern macht den ersten Aufschlag. Der Sozialdemokrat, der in großen Teilen der Sitzung die Gesprächsführung an sich reißt, setzt die wichtigsten Botschaften vorab: Die Sicherheit der Hochmoselbrücke hatte und hat für die Landesregierung "höchste Priorität". Das 1,7 Kilometer lange Bauwerk steht auf sicherem Grund.

10.17 Uhr: Jetzt spricht der Diplom-Geologe Walter Lenz, Chef des Gießener Instituts HG Büro für Hydrogeologie und Umwelt GmbH. Er stellt das eigentliche, 235.000 Euro teure Gutachten vor. Zahlenkolonnen werden an die Wand geworfen, Diagramme flimmern auf weißem Untergrund, Kurvenverläufe werden erläutert. Lenz und seine Leute haben die Wasserbewegungen im Hang auf der Eifelseite gemessen. Zwei Brückenpfeiler werden dort verankert.

Um herauszufinden, wie stabil der Untergrund ist, haben die Hydrogeologen zwei zusätzliche 80 und 100 Meter tiefe Messlöcher im oberen Hangbereich gebohrt. Drei Monate wurden Werte gesammelt und analysiert, dann erstellten Spezialisten eine Abbildung der Erdkruste. Entscheidend ist, ob Grund- und Sickerwasser das "inhomogene Gestein" - teils zerbrochener und zerriebener Tonschiefer - gefährlich ins Rutschen bringen kann.
Dazu hat Walter Lenz den schlimmsten anzunehmenden Fall durchgerechnet: drei Monate kontinuierlicher Regen mit einer monatlichen Niederschlagsmenge von 150 Millimetern pro Quadratmeter. Lenz spricht von einer "sehr überschaubaren" Wasserführung in dem betroffenen Gebiet. Er empfiehlt eine konsequente Begrünung, da Pflanzen Wasser auffangen. Und er schlägt vor, die Wegseitengräben im oberen Hang mit Pflastersteinen auszukleiden, damit kein Regenwasser versickern kann. Harald Ehses hört den Ausführungen aufmerksam zu.

10.49 Uhr: Der Diplom-Ingenieur Rudolf Dürrwang interpretiert das Gutachten, das seine erste Expertise ergänzt. Er ist Geschäftsbereichsleiter Geotechnik bei Arcadis, einem internationalen Anbieter von Ingenieur-Dienstleistungen. Und Dürrwang muss nun beantworten, ob Hang und Brückenbau stabil sind. Seine Antwort gibt er ohne jedes Zögern: "Aus geotechnischer Sicht kann die Brücke standsicher gebaut werden", trägt er als Ergebnis seiner Ausführungen vor. Weitere Erkenntnisse: Eine Gleitfuge, also eine Rutschfläche im Untergrund, wird mit einem Anker durchstoßen. Zusätzliche Drainagen, um Wasser abzuleiten, seien nicht nötig. Besagten Moselhang auf der Eifelseite bezeichnet er als einen "der ungefährlichsten". Jetzt horcht Harald Ehses auf.

11.07 Uhr: Der Mann, auf dem alle Blicke ruhen, spricht nun selbst. Harald Ehses scheint nervös, verhaspelt sich, liest seinen kurzen Text vom Blatt ab. Nein, er hat nicht am Bau der Moselbrücke gezweifelt. Ja, er hat die jetzige Untersuchung für dringend nötig gehalten. Und dann sagt er: "Ich sehe keine Einwände für eine Fortführung des Brückenbaus auf der Eifelseite." Ehses will, dass über ein Jahr der Untergrund weiter untersucht wird (Monitoring). Das geschieht auch.

11.13 Uhr: Das politische Fingerhakeln beginnt. Die CDU fragt, warum das alles jetzt erst untersucht wird und Ehses zeitweise der Mund verboten wurde. SPD und Grüne werfen den Christdemokraten eine Angstkampagne vor, die sich "in Luft aufgelöst hat" (Carsten Pörksen, SPD). Innenstaatssekretär Kern verteidigt das Vorgehen der Landesregierung recht ungehalten: Diese habe völlig korrekt die Bedenken eines sachkundigen Mitarbeiters ernst genommen.

12.20 Uhr: Nahezu alle Medienvertreter drängen sich in der Lobby um Ehses. Geduldig und sachlich wiederholt er seine Aussagen. Jedes Wort wird sorgsam gewogen. Nur die Äußerung von Erstgutachter und Zusatzgutachten-Bewerter Dürrwang will er partout nicht so stehen lassen. Als besonders ungefährlichen Hang sieht er die Eifelseite nun wirklich nicht: "Es ist ein Rutschhang. Und ein Rutschhang ist selten ein sicherer Hang." Mehr will und kann er nicht sagen. Denn nach zehn Minuten brechen gereizte und genervte Pressesprecher die Befragung rüde ab. Fakten zur Brücke

Die Hochmoselbrücke über das Moseltal bei Ürzig (Landkreis Bernkastel-Wittlich) ist 160 Meter hoch und wird nach der für 2016 geplanten Fertigstellung 1,7 Kilometer lang sein. Sie fußt auf zehn zwischen 20 und 160 Meter hohen Stahlbetonpfeilern. Die Gesamtstrecke des Übergangsprojekts beträgt 25 Kilometer, auf dieser gibt es weitere 38 Brücken und einen 100 Meter langen Tunnel.

Die Kosten: Bis Ende 2013 sind für den Bau des Hochmoselübergangs laut Bundesverkehrsministerium 186,3 Millionen Euro ausgegeben worden. Die geschätzten Kosten des Gesamtprojekts (inklusive eines Stücks Bundesstraße) liegen bei 375 Millionen Euro. Ursprünglich hatte das Land Kosten von 330 Millionen Euro genannt.

Die Verkehrsbedeutung: Laut Bund ist die Achse A 60/B 50 von der Grenze zu Belgien bis zur A 61 "Bestandteil des transeuropäischen Straßennetzes mit einem entsprechend übergeordneten Anteil an weiträumigem Verkehr".

Der Untergrund: Auf Eifeler Seite gilt der Ürziger Moselhang als schwierig. Er besteht aus einem instabilen Gesteinsmix. Obwohl es dort immer wieder zu Rutschungen gekommen ist und der feste Fels erst in 70 Metern Tiefe beginnt, sollen auch dort Pfeiler der riesigen Hochmoselbrücke gründen. "Das ist der komplizierteste Baugrund, den wir kennen" - so hat Harald Ehses, Direktor des rheinland-pfälzischen Landesamts für Geologie und Bergbau, im TV-Gespräch die Lage an der im Bau befindlichen Brücke eingeschätzt. Seine Aussagen zu den Risiken unter anderem im Volksfreund haben dazu geführt, dass das neue Gutachten erstellt worden ist.

Das neue Gutachten: Dieses geht mehr auf die Einflüsse von Sickerwasser am Moselhang ein. Vor der Anfertigung wurden am Ürziger Berg, in dem drei Pfeiler der riesigen Hochmoselbrücke gründen sollen, Tiefenbohrungen vorgenommen. Zwei bis zu 100 Meter tiefe Bohrlöcher wurden benötigt, um das Risiko eines Hangrutsches besser bewerten zu können.

Die Kosten des Gutachtens liegen laut Angaben des Landes vom Februar bei 235.000 Euro. kah/fcg/oht

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