Im Landtag bleibt das Verhältnis zur AfD zerrüttet

Mainz · Rufe, Flüchtlinge, Geld: Warum es vor der Wahl rumort.

Mainz Ordnungsrufe sind im rheinland-pfälzischen Parlament eine echte Rarität. Im März 1991, so hat es Landtagssprecher Marco Sussmann recherchiert, habe es letztmals für einen Abgeordneten eine solche Verwarnung gegeben. Der Fall war kurios: Der Grünen-Abgeordnete Gernot Rotter trug an jenem Tag ein mittelalterliches Salier-Kostüm, weil er gegen das Verschieben einer Ausstellung protestieren wollte. Ein Verstoß gegen die Ordnung des Landtags.
Mehr als 16 Jahre dauerte es, bis Parlamentarier in Mainz erneut solche Verwarnungen kassierten. Es traf zwei Politiker der AfD. Jan Bollinger und Damian Lohr wurden im August aber nicht wegen eines ausgefallenen Outfits verwarnt, sondern weil sich die Abgeordneten mit Landtagspräsident Hendrik Hering anlegten. Gegen die Verwarnungen legten die AfD-Politiker Widerspruch ein, was erstmals in der Geschichte des rheinland-pfälzischen Parlaments der Fall war. Vergeblich. Der Landtag lehnte diesen am Mittwoch mit Stimmen von SPD, CDU, FDP und Grünen ab.
Der Grund für den Ärger: Hering hatte AfD-Chef Uwe Junge dafür gerügt, Familienministerin Anne Spiegel in einer Debatte "Kindesmisshandlung" vorgeworfen zu haben. Der stritt das nicht ab. Bollinger und Lohr beschwerten sich im Gegenzug bei Hering darüber, nach eigener Aussage aus Reihen der SPD als "Pack" bezeichnet worden zu sein, was dieser nicht angeprangert habe. Uwe Junge kritisiert SPD-Politiker Hering dafür, dass dieser "einseitig und unsouverän" agiere. Der Landtagspräsident weist diesen Vorwurf von sich und sagt wiederum: "Der Eindruck entsteht manchmal, dass gewisse Ordnungsmaßnahmen im Allgemeinen provoziert werden."
Und nicht nur das Verhältnis zwischen der AfD und dem Landtagspräsidenten ist angespannt. Die FDP-Abgeordnete Cornelia Willius-Senzer wirft den Rechtspopulisten im Parlament vor, "eine Möchtegern-Rechtspartei zu sein, die zu Rechtsbruch aufruft". Sie bezieht sich auf den von AfD-Chef Junge abgelehnten Familiennachzug syrischer Flüchtlinge, die subsidiären Schutz genießen. Bis März 2018 gibt es eine Sperre für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Junge sagt, er habe nichts gegen eine Familienzusammenführung, sofern sie in den Heimatländern der Flüchtlinge geschehe. Katharina Binz (Grüne) nennt das "makaber" angesichts von Bürgerkriegszuständen in Syrien. Sie verweist darauf, wie wichtig der Nachzug von Familien für die Integration sei. Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) widerspricht der von Junge prophezeiten Zahl von gut zwei Millionen Flüchtlingen, die durch den Nachzug zusätzlich nach Deutschland kommen könnten. Für Rheinland-Pfalz gehe sie von gut 5000 Anträgen aus.
Und es gibt neue Spannungen: Die Grünen-Abgeordnete Pia Schellhammer verdächtigt die AfD in mehreren Fällen der unzulässigen Verwendung von Fraktionsgeldern für Parteiaufgaben - wie bei der Veröffentlichung einer Fraktionszeitung mit einer Auflage von 30 000 Exemplaren. Die Rhein-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet. Hendrik Hering hat den Rechnungshof gebeten, die ordnungsgemäße Mittelverwendung zu prüfen. Uwe Junge sagt, er sehe der Prüfung gelassen entgegen. "Wir haben keine Verstöße begangen."Extra: WAS SONST NOCH IM LANDTAG PASSIERTE


(flor/dpa) Im Landtag gab es am Mittwoch noch andere Themen. SPD-Fraktionschef kritisiert Post: Alexander Schweitzer (SPD) fordert die Post auf, einen Testlauf zu stoppen, der die Briefzustellung auf wenige Tage in der Woche begrenzen soll. Das Pilotprojekt soll nach seinen Angaben in sieben rheinland-pfälzischen Bezirken laufen. In einem internen Papier, das ihm vorliege, würden Kunden ohne Bezug zum Internet als "digitale Neandertaler" bezeichnet, kritisiert er. Das sei verächtlich. Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) forderte, die "flächendeckende und zuverlässige Auslieferung der Post" müsse künftig weiter gegeben sein. Bye-bye Pensionsfonds: Der Landtag hat mehrheitlich den Pensionsfonds aufgelöst. Die Altersversorgung der Beamten werde künftig der ab 2020 ausgeglichene Haushalt mit einem Sondervermögen der sogenannten Kanther-Rücklage sicherstellen, so Finanzministerin Doris Ahnen. Der Verfassungsgerichtshof hatte den Pensionsfonds auf Klage der CDU zu Teilen für verfassungswidrig erklärt.

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