Immer ein offenes Ohr

KIRCHBERG. (j.e./ako/mic) Politik war für Marita Sehn (FDP) kein Selbstzweck. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit standen die Menschen in ihrem Umfeld. Gestern Abend starb die Bundestagsabgeordnete bei einem tragischen Unfall in ihrer Heimat.

Neun Jahre vertrat die FDP-Politikerin die Menschen im Wahlkreis 203. Kommunalpolitisch aktiv war die 48-jährige Industriekauffrau seit 1987. "Ich wollte mich da engagieren, wo ich zu Hause bin", beschrieb Marita Sehn vor der letzten Bundestagswahl ihre Motivation für den Gang in die Politik."Ich wollte mitreden in der Stadt"

Als der verheirateten Industriekauffrau zu ihrem Bedauern klar wurde, dass sie keine Mutter werden würde, sah sie sich nach einer Betätigung um, die neben dem Beruf und der Ehe noch einen Sinn versprach: "Ich wollte mitreden in der Stadt." Die praktizierende Katholikin zog es daher 1987 in die überwiegend protestantische Partei der Liberalen. "Die FDP hat viele katholische Mitglieder in allen Schichten", sagte sie, "aber ich habe mir zunächst die Menschen angeschaut, die sich dort engagieren, das war mir wichtiger als die Partei." Letztlich habe sie auch das Leitbild von Freiheit, gekoppelt mit Verantwortung, überzeugt. Schnell war Sehn Schatzmeisterin der Partei in ihrer Verbandsgemeinde, dann im Kreisvorstand, Bezirksvorsitzende Eifel-Hunsrück und von 1990 bis 1994 sowie seit 1998 Bundestagsabgeordnete. Seit mehr als vier Jahren war sie kirchenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. : "Für viele ist die Verbindung von Kirche und Liberalen etwas, auf das sie gar nicht kommen. Auch liegt das Thema etwas außerhalb der parlamentarischen Normalität." Für sie war es wichtig, dass die Kirchen wieder mehr Bedeutung in der Gesellschaft erlangen. Sie wollte außerdem dem Image der FDP als einer vornehmlich materiell orientierten Partei entgegenwirken. Sehn bedauerte den Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung, akzeptierte dies letztendlich aber. Auch im Falle der Prä-Implantations-Diagnostik (PID) hatte sie eine andere Meinung als die Kirche: "Man sollte dem ethischen Bewusstsein des Einzelnen mehr vertrauen und die PID erlauben, denn keine Frau geht leichtfertig mit ihrem Kinderwunsch um." Sehns weitere Schwerpunkte in der praktischen Bundestagsarbeit war die Landwirtschaft, insbesondere Weinbau und Pflanzenschutz. Es sei schizophren, dass in Deutschland Mittel verboten sind, die in anderen EU-Ländern erlaubt sind: "Es muss ein Amt auf europäischer Ebene geben, das für alle Länder über die Zulassungen entscheidet", lautet ihr Ziel. Außerdem müsse der Verbraucherschutz in allen Ministerien verankert sein und nicht in einem einzigen, denn er betreffe nicht nur die Landwirtschaft. Der Einzelne stand stets im Mittelpunkt des Engagements der FDP-Politikerin, auch im Bundestag: "Der Einsatz für einzelne Menschen ist weniger sichtbar, aber er gibt eine innere Zufriedenheit." Die bewahrte sie sich ebenso wie gewachsene Freundschaften aus der Zeit vor ihrer politischen Karriere. Immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürger hatte Sehn seit 2002 als Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages. Mancher Fall bewege sie schon sehr, sagte Sehn einmal im Gespräch mit dem TV , "das geht schon mal richtig unter die Haut."

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