Gesellschaft Die Niederländer lieben die Eifel

Bitburg/Daun/Gerolstein · Immer mehr Menschen aus dem Nachbarland suchen ein ruhigeres Leben und schöne Landschaft. In der Region werden sie fündig.

„Ik vertrek“, was man frei nach Hape Kerkeling mit „Ich bin dann mal weg“ übersetzen könnte, ist der Name einer beliebten holländischen Fernsehserie. Sie begleitet heimatmüde Niederländer, die ins Ausland emigrieren – mal eröffnen sie in Frankreich Gästehäuser, bauen sie in Spanien Glampings (glamouröse Campingplätze), mal backen sie in Gambia Pfannkuchen.

Es kullern die Abschiedstränen, ehe sich die Auswanderer in das Abenteuer Ausland stürzen, das meist jede Menge bürokratische Hürden, abenteuerliche Renovierungsarbeiten, aber auch spannende neue Kontakte zu den Einheimischen mit sich bringt.

In der Region Trier erübrigt sich der Fernseher. Denn hier – insbesondere in der Eifel – lässt sich all das live und in Farbe beobachten. Immer mehr Niederländer lassen sich – umgeben von grünen Wäldern und Weiden – zwischen Maaren und Vulkankuppen nieder und eröffnen tatsächlich überraschend oft Campingplätze, Pensionen oder Restaurants.

1275 Niederländer lebten 2007 in der Region. Inzwischen sind es nach Angaben des Statistischen Landesamts 2230. Trotz der Flüchtlingskrise gehören sie in der Eifel zu den größten ausländischen Bevölkerungsgruppen: In der Vulkaneifel belegen sie Platz 2, im Eifelkreis Bitburg-Prüm Platz 5, im Kreis Bernkastel-Wittlich Platz 6 und selbst im Kreis Trier-Saarburg schaffen sie es noch auf Platz 8.

Während es früher vor allem Ältere waren, die in die Region kamen, um hier ihren Lebensabend zu verbringen, sind es nun nach Auskunft von Maklerin Sabine Schwiemann zunehmend jüngere Menschen. Ihr Hillesheimer Maklerbüro Jupp Immobilien hat sich darauf spezialisiert, Häuser an Niederländer zu vermitteln. Hunderte Immobilien waren das in den vergangenen Jahren. Darunter natürlich viele Ferienhäuser. Doch immer öfter beobachtet sie, dass junge Menschen sich in der Region neue Existenzen aufbauen. Mal arbeiten beide Partner hier. Mal pendelt einer zurück in die alte Heimat – was von der Eifel aus in wenigen Stunden möglich ist.

Ja, vielleicht dauert die Fahrt nicht einmal viel länger als der morgendliche Stau, vor dem sie geflüchtet sind: In weniger als 1,5 Stunden ist die Grenze von Prüm aus zu erreichen. „Das Leben in den Niederlanden ist schnelllebig und stressig“, sagt Schwiemann. Für viele sei das der Hauptgrund, in die idyllische Eifel zu kommen. „Diese Ruhe, die man bei uns erlebt, gibt es dort nicht mehr“, sagt die Maklerin. Dass Immobilien oft nur ein Drittel dessen kosten, was jenseits der Grenze zu zahlen wäre, trägt seines bei.

Zu denen, die diese Ruhe schätzen, gehören auch Marloes (39, Sozialpädagogin) und Roland Rodenburg (43, Lehrer). Vor drei Jahren sind die beiden mit ihren drei Kindern aus der quirligen Großstadt Utrecht nach Duppach (Verbandsgemeinde Gerolstein, 290 Einwohner) gezogen. „Wir haben hier mehr Platz für uns und unsere Kinder“, sagt Marloes Rodenburg.

Kein Wunder: In der Provinz Utrecht leben 932 Einwohner pro Quadratkilometer, im Kreis Vulkaneifel sind es gerade einmal 67. Jedesmal, wenn sie nach Utrecht zurückkehre, denke sie: „O, was sind das viele Leute.“

Nicht selten steht man selbst beim Sonntagsausflug im Stau, ehe sich für den Spaziergang im nächsten Naturgebiet ein Parkplatz gefunden hat. Was ein Kontrast zur Eifel, in deren Wäldern man stundenlang wandern kann, ohne einer Menschenseele zu begegnen.

In Duppach, wo laut Rodenburg rund zehn Prozent der Häuser Niederländern gehören, hat die Familie eine Pension mit Gaststätte und Kegelbahn eröffnet. „Es läuft mittlerweile gut“, sagt die Wirtin, zu deren Gästen auch immer mehr Einheimische gehören, die mit ihrem Kegelclub oder einfach auf ein Bierchen in der Kneipe vorbeikommen, wo auch regelmäßig Livemusik gespielt wird.

Da die Pension nicht ganz ausreicht, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, haben sich beide auch Jobs gesucht: Sie arbeitet als Integrationshilfe in Gerolstein, er als Lehrer an niederländischen Schulen in Köln und Bonn.

 Die niederländische Familie Rodenburg hat sich in der Eifel niedergelassen und eine Pension mit Dorfkneipe eröffnet, die offensichtlich auch bei Traktorfahrern beliebt ist.

Die niederländische Familie Rodenburg hat sich in der Eifel niedergelassen und eine Pension mit Dorfkneipe eröffnet, die offensichtlich auch bei Traktorfahrern beliebt ist.

Foto: TV/Familie Rodenburg
 Tot ziens, Nederland: Tschüss, Niederlande. Immer mehr Niederländer kehren ihrem Heimatland den Rücken und ziehen in ruhigere Gegenden wie etwa die Eifel.

Tot ziens, Nederland: Tschüss, Niederlande. Immer mehr Niederländer kehren ihrem Heimatland den Rücken und ziehen in ruhigere Gegenden wie etwa die Eifel.

Foto: dpa/Ole Spata

Selbst Eifeler Platt versteht die Familie inzwischen ganz gut. Die Leute seien sehr freundlich. Und sehr höflich. Man grüße sich. „Es ist schön in der Eifel“, sagt Rodenburg. Und das spricht sich im Nachbarland offenbar herum, wo immer mehr Menschen entscheiden: Ik vertrek.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort