In den Medien statt im Papierkorb

KOBLENZ. Knatsch hinter den Kulissen: Zwischen den rheinland-pfälzischen Sportverbänden ist ein alter Machtkampf wieder aufgeflammt. Der Auslöser: Ein anonymes Schreiben, in dem es um Mauscheleien mit Lotto-Geld geht.

Normalerweise wäre der anonyme Brief, der derzeit in den rheinland-pfälzischen Sportverbänden kursiert, längst da gelandet, wo ihn die meisten Beteiligten gerne sehen würden: auf Nimmerwiedersehen im Papierkorb. Doch nun bekommt das dreiseitige Schreiben, das schon vor gut vier Wochen die Runde unter Sportfunktionären machte, neue Brisanz. Denn der Präsident des Landessportbundes, Rüdiger Sterzenbach, will die darin angesprochenen Mauschelei-Vorwürfe offenbar untersuchen lassen - seine Präsidiumskollegen aber nicht. Angebliche Verquickung der Ehrenämter

Die Vorwürfe in dem anonymen Brief, der dem TV vorliegt, sind im Grundsatz nicht neu. Es geht um die angeblich unrechtmäßige Verquickung von Sportfunktionären mit der Lotto-Gesellschaft: Träger von Lotto RLP sind die Sportbünde Rheinland, Rheinhessen und Pfalz (siehe Hintergrund). Deshalb sitzen deren jeweilige Präsidenten auch in der Gesellschafterversammlung. Und einer von ihnen - so behauptet es der anonyme Schreiber - soll seinen Einfluss auf Lotto für politische und private Zwecke genutzt haben: Hermann Höfer, Präsident des Sportbundes Rheinland und Verbandsbürgermeister der VG Brohltal. Auffällig viele prestigeträchtige Veranstaltungen liefen - gesponsert von Lotto RLP - in dessen VG, kritisiert der anonyme Schreiber und zählt verschiedene Ereignisse auf, unter anderem: Zur Einweihung einer ganz normalen Schulturnhalle im Brohltal habe sich Höfer eine Lotto-Gala in die Heimat geholt. Auch eine prächtige Einweihung für die renovierte Burg Olbrück sei von Lotto mitbezahlt worden. Höfer habe mit derartigen Veranstaltungen in seiner Heimat geglänzt, so der anonyme Schreiber, bezahlt habe aber Lotto. Weiterer Vorwurf: Höfer habe für den Sportbund Rheinland zum Januar 2001 die Versicherung gewechselt. Der lukrative Auftrag - versichert sind damit über 600 000 Sportler - sei an die Arag gegangen. Später sei Höfer dann zu als Tagungen getarnten Verwöhn-Wochenenden in den Schwarzwald eingeladen worden - über Umwege ebenfalls von der Arag finanziert. Höfer weist diese und weitere Vorwürfe als "blödsinnige Schmiererei" zurück. Dass die Veranstaltungen mit Unterstützung von Lotto stattgefunden haben, gibt er dabei freimütig. Das sei aber nichts Besonderes, ähnliche Ereignisse gebe es im ganzen Land. Lotto habe dazu nur die üblichen Beträge zur Verfügung gestellt, für die es genaue Sponsoring-Regeln gebe. Auch der Vorwurf, er habe Vorteile durch den Wechsel zur Arag gehabt, sei "absolut haltlos". Vor dem Wechsel der Versicherung habe der Sportbund eine bundesweite Ausschreibung gemacht, bei der sich Arag durchgesetzt habe. Zudem sei nicht er allein verantwortlich, sondern auch Präsidium und Hauptausschuss. Das anonyme Schreiben müsse von jemandem kommen, "der mich absolut hasst und der sich irgendwelche Dinge zusammenspinnt". Er jedenfalls habe sich nie am Sport bereichert, sagt Höfer. Rückendeckung bekommt er von Lotto-Geschäftsführer Peter Schössler, der die Vorwürfe ebenso zurückweist wie das Präsidium des Sportbundes Rheinland. Keine Beweise, trotzdem Riesenärger

Obwohl die Vorwürfe unbewiesen im Raum stehen, sorgt das Schreiben dennoch für helles Aufsehen. Theo Zwanziger, Vorsitzender des Lotto-Verwaltungsrates, hat nach eigenen Angaben "stoßweise Faxe" zu diesem Thema bekommen. Er habe "nicht den Eindruck, dass da etwas falsch gelaufen ist", sagt Zwanziger. Für Zwanziger, der auch Schatzmeister des Deutschen Fußball Bundes ist, ist das Schreiben vor allem deutliches Zeichen dafür, dass im rheinland-pfälzischen Sport etwas nicht stimmt: "Ich bin enttäuscht darüber, wie die Funktionäre miteinander umgehen", meint Zwanziger, "das ist nicht mehr sportpartnerlich." Rüdiger Sterzenbach, Präsident des Landessportbundes, will keine Bewertung zu den Vorwürfen gegen Höfer geben. Das seien "sportinterne Vorgänge", sagt er auf TV -Anfrage. Sein Vorgänger im Amt des Landessportbund-Präsidenten, Rolf Weiler, der bis Mitte der 90er-Jahre zugleich Lotto-Geschäftsführer war, musste beide Ämter abgeben, nachdem Mauscheleien und überhöhte Gehälter bekannt geworden waren. Vermutlich deshalb ist Sterzenbach alarmiert darüber, dass nun schon wieder die Verbindung von Sportbund und Lotto in ein schlechtes Licht zu geraten droht. Dabei gibt es eine direkte Verbindung zwischen Lotto und dem Landessportbund ohnehin nicht, außer der, dass die drei regionalen Präsidenten zugleich Vize-Präsidenten des LSB sind. Nach TV -Informationen hat Sterzenbach für heute zu einer außerordentlichen Präsidiumssitzung geladen. Auf der Tagesordnung: die "Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung und Bewertung der Vorwürfe". Sportbund-Pfalz-Präsident Dieter Noppenberger hält dieses Ansinnen für eine "Frechheit", und auch Rheinhessen-Präsident Herbert W. Hofmann lehnt die Kommission ab. Möglicherweise könnte Sterzenbach angesichts mangelnder Unterstützung die Lust an seinem Amt vergehen. Schon in der Einladung zur Sitzung hinterließ er eine unverhohlene Rücktrittsdrohung: "Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass die Ergebnisse der Diskussion auch entscheidend für mein weiteres Engagement sein werden." KOMMENTAR SEITE 2

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