Landespolitik Porträt: Integrationsministerin Anne Spiegel kehrt nach Mutterschutz in Landespolitik zurück

Mainz · Die umstrittene Grünen-Politikerin spricht darüber, welchen Haltungen sie treu bleibt, was sie Horst Seehofer in einem Brief schrieb – und welche CD ihr der CDU-Fraktionschef schenkte.

 Grünen-Politikerin im grünen Kleid: Anne Spiegel besucht nach ihrer Rückkehr einen Deutschkurs für Flüchtlinge in Mainz.

Grünen-Politikerin im grünen Kleid: Anne Spiegel besucht nach ihrer Rückkehr einen Deutschkurs für Flüchtlinge in Mainz.

Foto: dpa/Peter Zschunke

Anne Spiegel schlichtete Rangeleien zuletzt nur in den eigenen vier Wänden. Doch der Konflikt, den die rheinland-pfälzische Integrationsministerin da lösen musste, drohte nie zu eskalieren. „Unter den Kindern gibt es nur einen Wettstreit darüber, wer mit der Kleinsten zuerst kuscheln darf“, klärt die 37-Jährige auf und lacht.

Vier Monate lang war die Grünen-Politikerin als erste Ministerin in der rheinland-pfälzischen Geschichte in Mutterschutz, weil sie ihr viertes Kind bekam, eine Tochter. Nun ist Spiegel wieder zurück in der Landespolitik. Während sie am Schreibtisch sitzt, kümmert sich ihr Mann tagsüber um die Kinder. Etwas Wehmut schwingt bei Spiegel mit. Doch inzwischen besucht sie schon wieder Termine, bei denen sie das Handy stecken und sich von ihrem Mann keine SMS schicken lässt. „Auf ihn ist Verlass“, sagt die Ministerin, die sich ihre politische Leidenschaft nicht nehmen lassen will.

Auch wenn es um die umstrittene Politikerin herum im Land selten kuschelig zugeht. Personenschützer weichen ihr auch nach dem Mutterschutz nicht von der Seite. Sie folgen ihr, seit sich nach dem tödlichen Messerangriff eines afghanischen Flüchtlings gegen ein 15-jähriges Mädchen im pfälzischen Kandel Hassbriefe mehrten. Zuschriften reichten bis hin zu Morddrohungen gegen Anne Spiegel. Aufgeben, sagt Spiegel, war aber nie ihr Plan. „Ich bin eine Kämpfernatur und habe den Kopf nie in den Sand gesteckt.“

Viel eher habe sie eine „innere Unruhe verspürt, mich wieder einzumischen“. Wie in der Frage, ob Hilfsorganisationen Flüchtlinge aus dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retten sollen. „Es ist an Schäbigkeit nicht zu überbieten, wenn die kriminalisiert werden, die Menschen helfen“, sagt Spiegel, die es nicht zulassen will, „immer mehr humanitäre Standards über Bord zu werfen“.

Gegenwehr bieten will sie auch Horst Seehofer. Dem Bundesinnenminister habe sie bereits einen Brief geschrieben, in dem sie darlegte, was ihrer Meinung nach in einem Einwanderungsgesetz stehen soll. Die Grüne sieht darin nicht nur eine Chance, Fachkräftemangel zu bekämpfen. Menschen, die sonst lebensgefährliche Fluchtwege antreten würden, stünden damit legale Zugangswege offen. Die Ministerin fordert vom Bund auch mehr Alphabetisierungskurse, um mehr Flüchtlinge zu integrieren.

Im Land dürfte Spiegel daran gemessen werden, ob es ruhig um ihr Ministerium bleibt – oder ob atmosphärische Spannungen das Geschehen überlagern. So wie im Streit mit dem höchsten Richter des Landes, Lars Brocker, der die Ministerin öffentlich dafür rüffelte, bei Abschiebungen Gerichtsentscheidungen nicht zu respektieren. „Wir würden niemals richterliche Unabhängigkeit infrage stellen“, sagt Spiegel.

Ihre Kritiker weisen wiederum gerne darauf hin, dass Staatssekretärin Christiane Rohleder als ihre Vertretung geräuschlos gearbeitet habe. Kenner des Ministeriums entgegnen darauf, die Kommunikation im Haus habe sich einfach deutlich verbessert. Und nicht nur das: Als Spiegel im Mutterschutz war, stellte das Land strengere Regeln bei der Alterskontrolle von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen vor, wodurch es künftig zu mehr Prüfungen kommen dürfte. SPD-Innenminister Roger Lewentz präsentierte  zusammen mit Vertretern des Integrationsministeriums eine landesweite Rasterfahndung, um besonders gefährliche, kriminelle Intensivstraftäter unter Flüchtlingen zu finden. Beobachter der Grünen sagen, für linke Parteimitglieder seien solche Entscheidungen durchaus mit Bauchschmerzen verbunden. Manch einer meint in Mainz, Spiegel habe Glück gehabt, dass sie die Politik der Basis nicht verkaufen musste. Die Ministerin widerspricht einer Kehrtwende in der rheinland-pfälzischen Flüchtlingspolitik ohnehin. Nach wie vor lehnt sie ab, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Ministerin verteidigt ihre Haltung damit, dass die Meinungsfreiheit in den Ländern massiv eingeschränkt sei, Homosexuellen die Verfolgung drohe. Eine Meinung, die früher oder später wieder für Rangelei im Land sorgen dürfte. Wenngleich Spiegel sich zuletzt erst mal über ein Geschenk von Christian Baldauf freute. Der CDU-Fraktionschef habe ihr zur Geburt ihrer Tochter eine CD mit Gute-Nacht-Liedern für Kinder geschenkt.

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