Interview mit SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer: Wie Parteien sich gegen die AfD aufstellen müssen

Mainz · „Akademisch, technokratisch, Politik-Sprech“: Laut dem rheinland-pfälzischen SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer fehlt es Parteien noch an der richtigen Antwort auf die AfD. Im Interview mit TV-Redakteur Florian Schlecht spricht der 43-Jährige darüber, was er besser machen will, warum er Teile der AfD für rechtsradikal hält, wie er die Rolle der CDU sieht – und warum er Uwe Junge eine SMS geschrieben hat.

 Alexander Schweitzer (SPD). Foto: Torsten Silz/Archiv

Alexander Schweitzer (SPD). Foto: Torsten Silz/Archiv

Die AfD ist bei Wahlen in diesem Jahr locker in alle Landesparlamente eingezogen und dürfte 2017 auch den Sprung in den Bundestag schaffen. Ist sie schon auf dem Weg zur Volkspartei?
Alexander Schweitzer: Ganz sicher nicht. Die AfD ist eine Wut- und Protestpartei. Sie steht nicht für die Mehrheit des Volkes. Die meisten Menschen lehnen ihre Ziele ab.

Der Aufstieg der AfD dürfte Ihnen dennoch nicht schmecken.
Schweitzer: Natürlich gefällt mir die Entwicklung nicht. Seitdem ich 16 Jahre alt bin, arbeite ich politisch gegen rechtsradikale Kräfte. Und die AfD sehe ich durchaus als etwas, was ich sehr weit rechts einsortieren würde.

Warum sehen Sie in der AfD gar eine rechtsradikale Partei?
Schweitzer: Manches, was wir im Parlament von der AfD hören, ist dem rechtsradikalen programmatischen Angebot zuzuordnen. Wenn bei Flüchtlingen über den "Import von Analphabeten" gesprochen wird, dann ist das eine Taktik, die Rechtsradikale ebenfalls benutzen: Sie reden nicht von Menschen als Menschen - sondern machen sie zu einer Sache.

Viele Beobachter bezeichnen die AfD in Rheinland-Pfalz eher als gemäßigten Landesverband.
Schweitzer: Das würde ich kritisch hinterfragen. Man hat mich "Hetzer" genannt und mit anderen Wörtern beschimpft. Das sind keine Begriffe, die auf eine friedliche Auseinandersetzung hindeuten. Die AfD ist versucht, sich ein bürgerliches Mäntelchen zu geben. Doch hin und wieder kommt ein Windstoß - und dann tritt die radikale, rechte Rhetorik zum Vorschein.

Aber Skandale wie in Baden-Württemberg, wo sich ein Teil der Fraktion sogar abgespalten hatte, hat es bislang in Rheinland-Pfalz nicht gegeben.
Schweitzer: Die rheinland-pfälzische AfD ist ein Teil der Gesamt-AfD und unterstützt diese. Wenn es um Antisemitismus in Baden-Württemberg oder um rechte Aussagen des Thüringer Fraktionschefs Björn Höcke geht, höre ich aus Mainz immer nur Beschwichtigungen. Eine Abgrenzung gibt es nicht. Die Versuche der rheinland-pfälzischen AfD , als AfD light rüberzukommen, sind leicht durchschaubar.

Welche Taktik fährt die SPD in der Auseinandersetzung mit der AfD im Landtag?
Schweitzer: In der Sache sind wir klar und hart, grenzen die AfD aber bei formalen Fragen nicht aus. Wir setzen uns mit den AfD-Positionen im Landtag kritisch auseinander. Die Folge ist: Bei der AfD steigen Aggressivität und Zwischenrufe.

Wie schätzen Sie die Rolle der CDU ein?
Schweitzer: Über den Kurs rätsle ich noch. Ich würde mir wünschen, dass die CDU-Fraktion über vereinzelte Wortbeiträge hinaus den gemeinsamen Weg der Auseinandersetzung mit der AfD sucht. Das sehe ich aber bislang nicht. Die Grenzen müssen klar bewahrt bleiben.

Was meinen Sie damit?
Schweitzer: Wenn es zu Verbalattacken und vermeintlichen Scherzen von AfD-Rednern gegenüber der Landesregierung kommt, lachen im Parlament auch CDU-Abgeordnete aus der ersten Reihe. Da frage ich: Muss das sein? Solche Signale ermutigen die AfD. Die gemeinsame Gegnerschaft gegen die Landesregierung darf von der CDU nicht falsch verstanden werden.

Könnte es irgendwann doch eine Koalition zwischen CDU und AfD geben?
Schweitzer: Zumindest kurz- und mittelfristig bin ich mir sicher, dass sich die gemäßigten Kräfte in der CDU durchsetzen, die sich dagegen aussprechen. Auch wenn ich vernehme, dass sich CDU-Politiker aus der dritten Reihe solche Gedanken schon machen.

Warum bindet eine AfD, die Sie "rechtsradikal" nennen, so viele Wähler?
Schweitzer: Ich bin weit davon entfernt, die Wähler der AfD als rechtsradikal zu bezeichnen, nur weil für mich manche AfD-Funktionäre und manche Äußerungen der Partei rechtsradikal sind. Viele Menschen fühlen sich alleine, im Stich gelassen und finden kein Angebot mehr unter den politischen Parteien. Sie sagen, jetzt wähle ich mal die AfD, damit die endlich kapieren, was los ist. Solche Sorgen müssen wir ernst nehmen.

14,3 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder wählten in Rheinland-Pfalz die AfD - eigentlich eine treue SPD-Gefolgschaft. Ist die AfD für die SPD das größte Problem?
Schweitzer: Viele AfD-Abgeordnete haben eine politische Vergangenheit in der Union. Im Wahlkampf sagten mir Menschen, sie hätten immer CDU gewählt, stimmten nun aber wegen der Flüchtlingspolitik von Frau Merkel für die AfD. Genauso erzählten mir langjährige SPD-Wähler, dass sie nun aus Sorge vor Veränderungen auch die AfD wählen. Um diese Menschen müssen wir kämpfen.

Wie wollen Sie das schaffen?
Schweitzer: Wir müssen die Menschen über einen starken rationalen Diskurs abholen, ihnen Sorgen nehmen und ihnen zeigen, dass sie bei der AfD keine Lösung finden. Sie redet sozial daher, ist aber eine Partei der sozialen Kälte. Das Heimatverständnis der AfD, das Grenzen in der Gesellschaft zieht, schadet dem Land und führt uns nicht in die Zukunft.

Was ist Ihr Ansatz?
Schweitzer: Wir in Deutschland sind mitten in Europa und brauchen den Austausch, der uns Wohlstand und soziale Sicherheit gibt. Den Heimatbegriff dürfen wir uns nicht von rechts aufladen und wegnehmen lassen. Wir wollen für Europa werben und den Menschen den Weg in die Gesellschaft zurück bahnen, die sich ausgegrenzt fühlen.

Warum schafft es die AfD aber, mit ihren Standpunkten die Wähler zu begeistern?
Schweitzer: Viele Menschen fragen sich: Wie verändert sich derzeit mein Land, mein Leben? Da spricht die AfD eine emotionale Ebene an, die ich bei den anderen Parteien nicht finde - zum Teil finde ich das auch nicht bei der SPD. Manches ist zu akademisch, zu technokratisch, zu sehr Politik-Sprech. Wir müssen wieder lernen, die Menschen mitzureißen.

Warum erreichen die Parteien die Gefühle vieler Wähler nicht mehr?
Schweitzer: Das hängt auch mit einem Wandel in der Politik zusammen, der sich gut an den Spitzenpolitikern einer Epoche zeigen lässt: Gerhard Schröder und Joschka Fischer - diese "Helden" der rot-grünen Zeit in den Neunzigern - wurde Hemdsärmeligkeit und Impulsivität nachgesagt. Nun hat sich das Land ausgerichtet am Politikmodell Merkel, also daran, jedes Problem physikalisch auf den kleinsten Nenner zu bringen und es von da aus wie eine Rechenmaschine anzugehen. Politik ist aber nicht nur eine Frage des Verstandes, sondern auch der Emotionen.

Wie weckt die rheinland-pfälzische SPD neue Emotionen?
Schweitzer: Wir wollen von Ort zu Ort, an die Haustüren, gehen. Die SPD hat sich vorgenommen, dort für uns zu werben, wo Menschen besonders stark die AfD gewählt haben. Wir wollen erreichbar, ansprechbar sein, Unterschiede klarmachen.

Eine gewalttätige Form der Auseinandersetzung war eine Attacke gegen den AfD-Fraktionschef Uwe Junge, dem Unbekannte in der Mainzer Innenstadt das Jochbein gebrochen haben. Wie stehen Sie zu einer solchen Tat?
Schweizer: Körperliche, tätliche Angriffe gehen gar nicht und dürfen nicht das Ziel der Auseinandersetzung sein. Ich wünsche Herrn Junge, dass er vollständig genesen wird und habe ihm eine SMS mit guten Besserungswünschen geschrieben. Das gehört sich so. Auch wenn ich in der politischen Auseinandersetzung hart bleibe.Extra Auf Wahlkampftour

SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer zählt in Rheinland-Pfalz zu den härtesten Gegnern der AfD. Und auch die globale rechtspopulistische Bewegung halte er im Blick, sagt er. Im Oktober reist er mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Ralf Stegner in den US-Staat Ohio, um die Kampagne von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton kennenzulernen - und insbesondere die Abgrenzung zu Donald Trump. flor

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