Landespolitik Erst lachen sie, dann kullern Tränen: Julia Klöckner übergibt CDU-Fraktion im Land an Christian Baldauf

Mainz · Christian Baldauf übernimmt die CDU-Fraktion, Julia Klöckner verabschiedet sich nach Berlin und lüftet zum Abschied ein Kleider-Geheimnis.

 Christian Baldauf (CDU) hält mit Julia Klöckner (CDU) einen Schal mit der Aufschrift «You'll Never Sing Alone». Der Fraktionsvorstand ist dem Vorschlag der bisherigen Fraktionsvorsitzenden und neuen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefolgt und hat Christian Baldauf zu ihrem Nachfolger gewählt.

Christian Baldauf (CDU) hält mit Julia Klöckner (CDU) einen Schal mit der Aufschrift «You'll Never Sing Alone». Der Fraktionsvorstand ist dem Vorschlag der bisherigen Fraktionsvorsitzenden und neuen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefolgt und hat Christian Baldauf zu ihrem Nachfolger gewählt.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Im Raum 301 der CDU-Fraktion geht die Post ab. Die Abgeordneten klatschen laut in die Hände, Julia Klöckner hält einen Schal mit dem Aufdruck „You’ll never sing alone“ in der Hand, den ihr zum Abschied ein begeisterter Chorsänger geschenkt hat: Christian Baldauf, dem am Freitag um 10.34 Uhr Tränen in den Augen stehen. Einstimmig hat die Fraktion den 50-jährigen Pfälzer (zum Porträt) in geheimer Wahl zum neuen Chef bestimmt, der auf die ins Bundeslandwirtschaftsministerium abwandernde Klöckner folgt. „Ihr seid eine super-geile Truppe“, ruft er in der Euphorie laut in den Helmut-Kohl-Saal hinein. „Selten hat die CDU-Fraktion so geschlossen stark da gestanden wie jetzt“, lobt er auch Klöckner, die Rheinland-Pfalz als CDU-Landeschefin aber weiter die Stange hält. Klöckner, die sieben Jahre lang die Fraktion führte, schluckt. Sie erzählt von kullernden Tränen, als sie Mitarbeitern Adieu sagte. „Ich habe wirklich geheult. Das ist ein emotionaler Tag für mich“, sagt Klöckner.

Doch nicht nur die CDU verabschiedet sich von der Politikerin. Stunden später tritt die 45-Jährige aus dem Fahrstuhl des Abgeordnetenhauses, wo Vertreter aller Parteien auf sie warten und beklatschen. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) – 2016 noch Rivalin von Klöckner in einer umkämpften Landtagswahl – schüttelt der CDU-Frau die Hände und schenkt ihr ein Buch der japanischen Schriftstellerin Yoko Tawada. Von der SPD-Fraktion gibt es einen Weinstock (natürlich mit rotem Rießling), Blumen von FDP und AfD, einen wiederverwertbaren Präsentkorb von den Grünen, rheinland-pfälzische Erde und einen, na ja, etwas zerrupften Strauß von der CDU. „Ich habe den nicht gekauft“, verteidigt sich Christian Baldauf gleich und lacht.

Und in die gute Stimmung hinein plaudert Klöckner auch aus dem Nähkästchen, wie es dazu kam, dass sie und die neue Familienministerin Franziska Giffey vor wenigen Tagen das identische blaue Kleid bei der Minister-Vereidigung trugen: „Es war purer Zufall. Die Verkäuferin sagte mir in dem Berliner Geschäft: Das gleiche Kleid habe ich gerade eben schon mal verkauft ...“ Landtagspräsident Hendrik Hering staunt bei der Geschichte. „Ich dachte, der Partnerlook war abgesprochen“, meint er. Hering – einst SPD-Fraktionschef und da oft im wortreichen Clinch mit Klöckner – lobt die 45-Jährige für ihr Redetalent. „Sie haben die Debattenkultur im Parlament auf ein höheres Niveau gehoben“, sagt Hering, der Klöckner ein Bild schenkt, auf dem sie einen Zeitungsartikel um ein umstrittenenes, rheinland-pfälzisches Infrastrukturprojekt in die Höhe streckt. „Das könnten ja viele sein“, kontert Klöckner und begutachtet das Foto. „Ah, hier geht’s um den Flughafen Hahn.“

Klöckner hat zugleich ein Geschenk für ihren Nachfolger Christian Baldauf: eine Schwarzwurzel. Der 50-Jährige solle verwurzelt bleiben und sein schwarzes CDU-Herz behalten, sagt sie. Und, so scherzt sie: Die Schwarzwurzel werde weich, wenn sie gekocht werde. Auf das Kochen kann Baldauf wiederum verzichten. Der neue CDU-Fraktionschef überstand mit der souveränen Wahl, bei der fünf Abgeordnete krank fehlten, eine erste Hürde. „Nun muss ich die Vorschusslorbeeren erfüllen“, sagt der Pfälzer. „Die Julia“, sagt Baldauf in Anspielung auf das Ministerinnen-Amt von Klöckner in der Landwirtschaft, „hat ein bestelltes Feld hinterlassen, das wir weiter beackern wollen“.

Der Pfälzer hat schon erste Pläne: Die CDU wolle in die einzelnen Regionen gehen und gucken, was Menschen dort umtreibe. Der Jurist nennt auch einen „funktionierenden Rechtsstaat“ als Ziel: „Das ist eine Ur-CDU-These, die wir da vertreten. Viele Menschen spüren dort Defizit, mal emotionalisiert, aber auch rational begründbar“, sagt der Kaiserslautern-Fan, der die Fraktion von 2006 bis 2011 schon mal anführte. Von der AfD grenzt sich Baldauf klar ab. Er betont: „Es kann keinen parlamentarischen Umgang mit der AfD geben, weil ihr Menschenbild weit von unserem entfernt ist: Sie grenzt aus, ist nicht christlich, das kann nicht funktionieren.“

Sonst herrscht Harmonie an diesem Tag. Und die wollen sich Klöckner und Baldauf auch nicht von einem Journalisten trüben lassen, der nachhakt, wer von beiden denn 2021 als CDU-Spitzenkandidat in die Landtagswahl geht. „Sie werden es als Erster erfahren“, sagt Klöckner. Dann schweigt sie an einem sonst turbulenten Tag.

(dpa)
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