Junge, Junge …

Mainz · Der Ton im rheinland-pfälzischen Landtag nimmt an Schärfe zu. Politiker sprechen von einem Schlingerkurs bei AfD-Chef Uwe Junge, den Vorwürfe aus der Bundeswehrzeit belasten. Doch die Debatte bietet auch einen Lacher.

Mainz. Den 26. Januar kann Julia Klöckner als historischen Tag im Kalender ankreuzen. Wo die CDU-Fraktionschefin im rheinland-pfälzischen Landtag sonst kräftig gegen die Regierung austeilt, da setzt sie sich am Donnerstag nach der Rede auf ihren Stuhl in der ersten Reihe - und alle Abgeordneten von SPD, FDP und Grünen klatschen laut Beifall. Denn Klöckner wettert an dem Tag nicht über den Haushalt, den Flughafen Hahn oder fehlende Investitionen in die Polizei. Die 43-Jährige nimmt die AfD ins Gebet. Scharf und deutlich. Die Kritik: Die Partei bekenne sich nicht zur Pressefreiheit und grenze sich nicht vom nordrhein-westfälischen AfD-Chef Marcus Pretzell ab, der manchen Medien beim jüngsten Treffen rechtspopulistischer Parteien in Koblenz den Zugang verweigert hatte. "Falsche Nachrichten verhindern wollen, indem man Journalisten knebelt? Wie krude ist das denn?", fragt Klöckner.
Während Abgeordnete in den AfD-Reihen schimpfen, hört Uwe Junge still zu. Der Fraktionschef kämpft momentan mit schwereren Vorwürfen. Junge soll in seiner Zeit als Bundeswehrsoldat eine lesbische Soldatin diskriminiert haben. Das geht aus einem internen Schriftwechsel hervor, der dem TV vorliegt. Junge soll demnach der Vorgesetzte gewesen sein, der im aktuellen Wehrbericht auf Seite 34 mit folgenden Worten an die Soldatin erwähnt wird: "Sie können ja sogar wie eine Frau aussehen" und "Ehe und Familie sind in Artikel 6 Grundgesetz besonders geschützt: Mutter + Vater + Kinder; die Nation braucht deutsche Kinder".AfD-Chef schweigt


Von einem gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen den Bundeswehrsoldaten sei wegen Freistellung zur Wahrnehmung eines politischen Amtes und baldigen Ausscheidens aus der Bundeswehr abgesehen worden, heißt es im Wehrbericht, der dem Verteidigungsministerium zugeleitet wurde. Ein Verstoß gegen Grundsätze der inneren Führung und Fürsorgepflicht habe aber vorgelegen. Uwe Junge schweigt zu den Vorwürfen, über die die Allgemeine Zeitung zuerst berichtet hatte. Nur so viel sagt er: "Ich habe beim Entlassungsgespräch eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, mich zu dienstlichen Dingen nicht zu äußern."
SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer erwartet dagegen eine öffentliche Stellungnahme. "Im Landtag steht Herr Junge immer mit Krokodilstränen da und spricht davon, dass die AfD diskriminiert wird. Mich würde interessieren, wie er sich verhalten hat, als er in der Bundeswehr Verantwortung trug. Er ist jetzt Parlamentarier - und will schließlich auch Verantwortung für das Land tragen."Abgeordneter und "Journalist"


Andere Vorwürfe wehrt Junge ab. "Wir stehen zur Pressefreiheit", sagt er im Parlament, stößt mit den Worten aber auf den Widerspruch von FDP-Politiker Thomas Roth, der Junge vorhält, ein paar Tage zuvor einen Ausschluss von Journalisten bei eigenen Veranstaltungen nicht ausgeschlossen zu haben. "Erst provozieren, dann halbherzig distanzieren", lästert er. Bernhard Braun (Grüne) wirft Junge vor, nach dem Motto "legal, illegal, scheißegal" zu handeln. Nur einmal lachen die Abgeordneten bei der hitzigen Debatte. Als der AfD-Politiker Joachim Paul ans Mikro tritt und sagt, Pressevertretern seien in Koblenz keine Interviews verweigert worden. Er sei selber als Journalist dort gewesen. "Für AfD-TV."Extra

Zum Streit zwischen Regierungslager und AfD war es bereits am Mittwoch in der Sicherheitsdebatte gekommen. Innenminister Roger Lewentz (SPD) ist nun von Landtagspräsident Hendrik Hering gerügt worden, weil er zu AfD-Chef Uwe Junge gesagt hatte: "Sie sind der gleiche politische Brandstifter wie Ihr Geisteskamerad Höcke." Damit spielte Lewentz auf die umstrittenen Aussagen des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal in Berlin an. Uwe Junge hatte zuvor im Hinblick auf das LKW-Attentat von Berlin eine "Verhaftungswelle" gefordert. Nach den Worten von Lewentz verließ die AfD-Fraktion geschlossen den Saal. dpa/florExtra

Grundschulnoten: Die rheinland-pfälzischen Grundschüler der ersten und zweiten Klassen sollen nach dem Willen der Ampelregierung auch künftig keine Zeugnisse mit Noten zum Schuljahresende bekommen. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) sagte, die verbalen Zeugnisse hätten sich bewährt. Die AfD hatte die Wortzeugnisse kritisiert. Mehr Touristen für das Land: Einstimmig setzten alle fünf Fraktionen eine Enquete-Kommission zum Tourismus ein. Die Kommission soll mehr Touristen anlocken und in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium eine Tourismusstrategie 2025 erarbeiten. Sie will Bilanz ziehen, Trends ausmachen und prüfen, ob mehr Landesgeld nötig ist. Pflegeheim: Drei Ex-Pfleger - zwei Männer und eine Frau - stehen derzeit unter Verdacht, eine Heimbewohnerin in Lambrecht (Pfalz) ermordet zu haben. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hat in Pflegeheimen für eine stärkere "Kultur des Hinschauens" geworben. Sie sagte zugleich, sie gehe von einem Einzelfall aus. dpa

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