Kein Leute-Fang per Lasso

TRIER. Dieses Fazit kann man nach der Podiumsdiskussion bei der Zukunftskonferenz der Lokalen Agenda 21 über die Entwicklung der Region ganz gewiss ziehen: Sie war alles andere als langweilig. Darüber hinaus wird es schwierig, eine zusammenfassende Aussage über die teilweise hitzige Auseinandersetzung zu treffen.

Zu konträr waren die Auffassungen bei der Podiumsdiskussion zur regionalen Entwicklung an der Katholischen Akademie, und zu weit lagen die Diskutierenden auseinander, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Da saß zum einen Johannes Weinand auf dem Podium, Leiter des Trierer Amts für Stadtentwicklung. Er pries den Regionalentwicklungsplan, der derzeit erarbeitet wird, als Chance für die Region, ihre finanziellen Mittel zu bündeln. Im Klartext: Angesichts des erwarteten Bevölkerungsrückgangs soll nicht mehr in die Fläche investiert werden, sondern nur noch in bestimmte Orte. "Die dezentrale Versorgungsstruktur kann auf Dauer nicht vorgehalten werden", argumentierte Weinand. "Wenn wir das versuchen, wird die Region keine Chance haben." Das hörte Richard Pestemer, Ortsbürgermeister der knapp 150 Einwohner kleinen Gemeinde Neunkirchen im Hunsrück, gar nicht gern. Er kritisierte, Trier wolle auf Kosten des Umlandes seine Einwohnerzahl halten. "Wer hat das Recht, uns als kleine Dörfer wegzuplanen? Niemand!" Wenn es Trier gut gehe, profitiere die Region, hielt Weinand dagegen. "Trier als Oberzentrum braucht eine gewisse Größe, sonst wird es geschwächt. Und darunter leidet die gesamte Region." Das ließ der streitbare Hunsrücker Bürgermeister, dessen Ort Vorreiter in Sachen regenerative Energien ist, nicht gelten. "Wir können mehr produzieren, als wir selbst verbrauchen, und wir können dazu beitragen, Trier zu versorgen. Sie brauchen uns!" Die Diskussion geriet teilweise so heftig, dass Moderator Dieter Lintz, leitender Redakteur beim TV, eingriff: "Lassen Sie uns versuchen, die Debatte auf ihren rationalen Kern zu reduzieren!" Richard Groß, Vorsitzender der Initiative Region Trier und ehemaliger Landrat des Kreises Trier-Saarburg, versuchte es mit einer Verbindung beider Ansätze: Da, wo es nicht anders gehe, müsse man künftig über Schrumpfungsprozesse nachdenken. Ein planmäßiger Ansatz könne das allerdings nicht sein. Peter Heck, Professor am Institut für angewandtes Stoffstrommanagement auf dem Umweltcampus in Birkenfeld, bekannte sich dagegen zu einer "Ökonomie des Schrumpfens". Chancen für die heimische Wirtschaft

Er plädierte ferner dafür, in Nachhaltigkeit zu investieren - beispielsweise in ein Sanierungsprogramm zur Energie-Reduktion. So könne man in absehbarer Zeit viel Geld sparen. Der Professor hob die Chancen für die heimische Wirtschaft hervor, die in innovativen Techniken steckten: "Kein Inder bietet uns eine Holzheizung an." Dieses Potenzial werde in der Region vernachlässigt, kritisierte er. Jede Woche besuchten Delegationen etwa aus Fernost den Birkenfelder Campus, um sich über die Techniken zu informieren, die sie als zukunftsweisend erkannt hätten. "Um sich das in der Praxis angucken zu können, müssen sie weit fahren." Rudi Müller, Präsident der Handwerkskammer Trier, teilte Hecks Einschätzung, die energetische Gebäudesanierung sei ein Zukunftsmarkt. Zugleich wies er auf einen Widerspruch für seine Branche hin: Einerseits sollten die Betriebe in den Orten bleiben, gleichzeitig aber weder Lärm noch Verkehr produzieren. Am Ende der Debatte versuchte es Groß noch einmal mit versöhnlichen Worten: "Es darf nicht dazu kommen, dass wir mit dem Lasso herumlaufen und Leute einfangen wollen - weder in den Landkreisen noch in der Stadt." Er gab sich optimistisch: "Wir werden uns auf ein gutes Konzept einigen. Und zwar, ohne uns die Köpfe einzuschlagen."

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