Kirchen mischen im Wahlkampf mit – an der AfD scheiden sich die Geister
Trier · Wie stark sollen sich die Kirchen im Wahljahr einmischen? Und sind das Christentum und AfD-Positionen unvereinbar, wie dies einige Theologen glauben? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt. Ein Vorgeschmack auf den kommenden Bundestagswahlkampf?
Mit seiner scharfen Kritik an der Alternative für Deutschland hat der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, für teils wütende Reaktionen gesorgt. Dies sei eine "unerträgliche Hetze gegen eine demokratische Partei", meinte etwa der Trierer AfD-Landtagsabgeordnete Michael Frisch. Rekowski liefere damit ein weiteres Beispiel für die "unzulässige Vermischung von Politik und Religion".
Der evangelische Präses hatte der AfD vorgeworfen, das Christentum zu missbrauchen, um ihre Ideologie zu rechtfertigen. Dabei widerspreche diese Ideologie dem christlichen Menschenbild. Ähnlich hatte sich in der Vergangenheit auch der Trierer Bistumspriester und ehemalige Fernsehpfarrer Stephan Wahl geäußert. Wer als Christ "mit den Rattenfängern der AfD sympathisiere und erwägt, sie zu wählen", solle die Kirche verlassen, so der katholische Geistliche.
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Theologieprofessor Ockenfels: In der AfD zu sein oder sie zu wählen ist nicht unchristlich
Scharfe Kritik an solchen Forderungen äußert der emeritierte Trierer Theologieprofessor Wolfgang Ockenfels. Wer wen wähle, sei die Gewissensentscheidung jedes Einzelnen. Seiner Meinung nach sei es jedenfalls "nicht unchristlich, dieser Partei anzugehören oder sie zu wählen", so Ockenfels, der selbst seit Jahrzehnten CDU-Mitglied ist.
Ist der bissige Ton schon ein Vorgeschmack auf die drohende scharfe Auseinandersetzung im bevorstehenden Bundestagswahlkampf? Womöglich befürchtet dies auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx. Er rief alle Beteiligten unlängst zu einem sachlichen Wahlkampf auf: "Ich will nicht hoffen, dass es eine Schlacht wird der Vereinfacher, der Gehässigkeiten und Hass-Mails", sagte Marx.
Ähnlich äußerte sich gestern auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann am Rande der Bitburger Gespräche, bei denen es um das Verhältnis von Staat und Religion geht. Im Wahlkampf müsse natürlich zugespitzt werden, sagte Ackermann, aber im Rahmen und ohne andere herabzusetzen. Am "AfD-Bashing" wollte sich der Trierer Bischof nicht beteiligen.
Allerdings müsse die Partei erst noch zeigen, dass sie realistische Lösungsansätze habe und etwas für den Zusammenhalt der Gesellschaft tun könne. Der Trierer Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon plädiert dafür, der AfD recht zu geben, wo sie recht habe. "Man hätte die Islamkritik niemals den Rechten überlassen dürfen", sagt er im TV-Interview. In seinem neuen Bestseller "Die Grenzen der Toleranz" ruft er dazu auf, die offene Gesellschaft zu verteidigen.