Meinung Klärt den Skandal endlich vollständig auf!

Es ist nicht verwunderlich, dass die von den deutschen Bischöfen vor über vier Jahren in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie vor der geplanten offiziellen Veröffentlichung in anderthalb Wochen „durchgestochen“ wurde.

Das geschieht in solchen Fällen regelmäßig, erst recht, wenn – wie bei dieser Studie – Dutzende Forscher und wissenschaftliche Hilfskräfte im Laufe der Jahre daran mitgearbeitet und jetzt Zugriff auf die Ergebnisse haben.

Entscheidender für die Vorab-Veröffentlichung dürfte aber dieses Mal ein anderer Punkt sein: Der eine oder andere Forscher mag auf die kirchlichen Auftraggeber nicht gut zu sprechen sein, weil sein Forschungsdrang gezügelt wurde. Die Wissenschaftler durften nicht selbst in den Akten und Archiven wühlen, wie sie es gewohnt sind, sondern waren auf die Zulieferung durch kirchliches Personal angewiesen. Wegen des Streits um die Forschungsbedingungen war bereits die Vorgängerstudie des Kriminologen Christian Pfeiffer vorzeitig gescheitert. Das war vor allem für die deutschen Bischöfe ein Glaubwürdigkeitsdesaster.

Und jetzt? Gibt es ein Déjà-vu-Erlebnis! Zwar liegen mit der neuen Studie Opfer- und Täterzahlen auf dem Tisch, die – wen wundert’s? – erschreckend sind. Doch viele aktuelle Wortmeldungen, gerade aus Kirchenkreisen, gehen dahin, dass nun endlich eine unabhängige Aufarbeitung des katholischen Missbrauchsskandals folgen müsse.

Die hätten die katholischen Bischöfe längst haben können, wenn sie es gewollt hätten. Doch bei einer Mehrheit obsiegte offenbar die alte Bunkermentalität, wonach möglichst nicht nach draußen dringen darf, was nicht nach raußen dringen soll. Eine Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche? Einverstanden, aber dann bitte nur kontrolliert.

Der Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann dürfte in diesem Kontext nicht zu den größten Mauerbrüdern gehört haben. Bislang war er bei der Aufarbeitung eher Antreiber als Bremser. Aber seine erste Reaktion nach dem vorzeitigen Bekanntwerden der Ergebnisse war dennoch erbärmlich: Er rüffelte zunächst die Medien und nicht die Täter. Auch das spricht Bände.

r.seydewitz@volksfreund.de

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