Kommunen bekommen vom Land zu wenig Geld

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz hat gestern einer Klage des Kreises Neuwied stattgegeben und festgestellt, dass die vom Land gewährten Schlüsselzuweisungen gegen den in der Landesverfassung garantierten Grundsatz einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof soll sich nun mit dem entsprechenden Landesgesetz befassen und entscheiden.

Mainz. (fcg) Landauf, landab leiden beinahe sämtliche Kommunen unter chronisch leeren Kassen. Viele Städte und Gemeinden können, wenn überhaupt, nur noch mühevoll ihre Aufgaben erfüllen, sei es bei der Reparatur kaputter Straßen oder bei der Instandhaltung von Schulgebäuden. Der Kreis Neuwied hat sich juristisch gegen die seiner Ansicht nach im Jahr 2007 zu geringen Schlüsselzuweisungen des Landes gewehrt. Nun stellt das OVG Koblenz fest, was Bürgermeister und Landräte bereits seit längerem lautstark beklagen: Die im Grundgesetz verankerte kommunale Selbstverwaltung sei "nicht mehr möglich". Nur auf der Grundlage ausreichender Finanzmittel könne sich diese Selbstverwaltung wirksam entfalten.

Die Koblenzer Richter betonen, die begrenzt verfügbaren Finanzmittel müssten zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen "aufgabengerecht verteilt werden". Die Finanzausgleichsleistungen des Landes verstießen gegen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie, das Land könne sich nur eingeschränkt auf seine knappen Finanzressourcen berufen. Wenn Kommunen steigende Ausgaben, vor allem Sozialausgaben, hätten, sei ein angemessener Ausgleich der Aufwendungen verfassungsrechtlich geboten. Diese Verpflichtung bestehe für das Land auch dann, wenn Bundesgesetze die Mehrausgaben hervorgerufen hätten.

Wasser auf die Mühlen vieler Kommunalpolitiker dürfte die Feststellung der Koblenzer Richter sein, eine verfassungsgemäße Finanzausstattung könne nicht durch Einsparungen der Landkreise oder Erhöhungen der Kreisumlagen oder das Kürzen der Ausgaben für freiwillige Leistungen erreicht werden.

Innenminister Karl Peter Bruch und Finanzminister Carsten Kühl reichen den Schwarzen Peter umgehend an den Bund weiter. Während das Land bereits reagiert und etwa einen mit 3,9 Milliarden Euro ausgestatteten Entschuldungsfonds für die Kommunen geschaffen habe, müsse "der Bund jetzt endlich dazu kommen, die Kommunen bei den Sozialausgaben zu entlasten", sagt Kühl. Bruch verweist auf die "Reformagenda" der Landesregierung im Sommer 2010, die bundesweit einmalige Soforthilfen sowie mittel- und langfristige Hilfen vorsehe. Allerdings bestätige das OVG-Urteil die Dringlichkeit einer Gemeindefinanzreform des Bundes.

Beide Minister haben bereits angekündigt: Sollte sich der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof dem OVG-Urteil anschließen, werde man das Bundesverfassungsgericht anrufen, um die generelle Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen prüfen zu lassen.extra Günther Schartz (CDU), Landrat des Kreises Trier-Saarburg und Vorsitzender des Finanzausschusses des Landkreistages: "Das Urteil zeigt, dass der Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz für die Kommunen bei weitem nicht auskömmlich ist. Das gesamte System muss auf den Prüfstand. Die Richter haben deutlich gemacht, dass das Land die Ausgleichspflicht hat. Wer nach dem Bund ruft, zündet Nebelkerzen. In anderen Bundesländern sind die Kommunen viel besser dran."

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