Landtag reagiert auf ruppigen Ton der AfD

Mainz · Bislang hat der Mainzer Landtag täglich Pressemeldungen von Parteien auf der eigenen Internetseite veröffentlicht. Das hört nun auf, weil die Verwaltung strafrechtliche Folgen befürchtet. Der politische Ton steht in der Kritik.

Sind es deftige Meinungsäußerungen oder gar strafbare Aussagen? Die Frage ließ der rheinland-pfälzische Landtag bei Pressemitteilungen der AfD-Fraktion genau prüfen. Die Überschriften der umstrittenen E-Mails, die die Partei über die Verteiler schickte: "Dreyer missbraucht Amt als Bundesratspräsidentin und verrät das deutsche Volk". Oder: "Maas wollte Kindesmissbrauch legalisieren." Der Grund für den Check: Der Landtag hat die Mitteilungen bislang auf der eigenen Homepage veröffentlicht. Und im Falle einer Anzeige kann er für Inhalte haftbar gemacht werden, auch wenn der Urheber ein anderer ist. Die Verwaltung reagiert nun und verzichtet künftig auf Mitteilungen der Parteien. Und sie hat eine IT-Firma aus Trier angewiesen, nur noch Verweise auf die Seiten der Fraktionen einzubauen.

Hausintern sei man zu der Einschätzung gekommen, ob die Mitteilungen strafrechtliches Potenzial haben, könne nicht gesichert beurteilt, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Wie gefährlich Seitenbetreiber leben, zeigt ein Urteil aus Hamburg vor wenigen Tagen. Das Landgericht verurteilte dort einen Homepage-Betreiber, der auf eine Seite verwiesen hatte, die Lizenzrechte für ein Bild falsch angab. Der Streitwert lag bei 6000 Euro. Landespolitiker warnen vor einer Verrohung der politischen Sprache im rheinland-pfälzischen Parlament. Martin Haller von der SPD sagt: "Es ist schwer erträglich, wenn solche Sätze der AfD über die Internetseite des Landtags laufen."

Auch im Parlament werde der Ton rauer, sagt Haller. Wie vorige Woche, als AfD-Chef Uwe Junge die Organisation Pro Familia einen "Abtreibungsverein" nannte.

Die AfD verteidigt hingegen die Mitteilungen. Jan Bollinger, parlamentarischer Geschäftsführer, sagt: "In der Politik muss man klare Worte finden, um gehört zu werden." Bei der Kritik gegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer habe man der Landeschefin eine eigene Aussage zurückgespielt, wonach eine Minderheit für sich reklamiere, das Volk zu vertreten und diese das Volk verrate, weil diese Grundwerte mit Füßen trete. Bei Bundesjustizminister Heiko Maas habe die Partei Bezug darauf genommen, dass dieser im Ausland geschlossene Kinderehen auch unter 16-Jährigen nicht verbieten, sondern von Gerichten prüfen lassen wolle.

Kai Arzheimer, Politikforscher aus Mainz, warnt vor einer "gewissen Radikalisierung". Zum Begriff des Volksverrats sei es nicht mehr weit. Dieser sei von Rechtsextremen in den 1920er Jahren geprägt und vom Nationalsozialismus genutzt worden, um Andersdenkende zu verfolgen - und sei heute "vor allem im Umfeld von Pegida und NPD gebräuchlich".

Thomas Roth, Fraktionschef der rheinland-pfälzischen FDP, hat Alexander Licht in einem Brief geantwortet. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Brauneberg (Bernkastel-Kues) hatte sich über die Roth-Aussage geärgert, der die CDU im Parlament eine "AfD light" genannt hatte. Licht hatte eine persönliche Entschuldigung gefordert - andernfalls könne er der FDP nur empfehlen, dass sie ihren Fraktionschef absetze.

Roth schreibt nun an Licht, er bedauere es, sollte er sich durch die Äußerungen verletzt fühlen. Allerdings bringe dieser kein Sachargument vor. Roth schreibt, er sehe Entwicklungen in der CDU mit Sorge - wie den Parteibeschluss gegen den Doppelpass oder das Burka-Verbot. Statt sich zu der kulturellen Vielfalt im Land zu bekennen, grenze sich die Union gegen Minderheiten ab. Es enttäusche ihn, dass der CDU-Politiker die gute Zusammenarbeit mit der FDP auf kommunaler Ebene instrumentalisieren wolle. Roth spricht sich im Mainzer Landtag für eine "Vierer-Koalition für Freiheit, Toleranz und Menschenfreundlichkeit" aus. Der Brief liegt dem TV vor.

Licht kritisiert, eine persönliche Entschuldigung sei das nicht. Er sei aber offen für ein Gespräch mit Roth. flor

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