Liberale rücken vom Parteichef ab

Während Guido Westerwelle dienstlich im fernen China weilt, wird die politische Luft für ihn daheim immer dünner. Nun legen auch mehrere Spitzenliberale Westerwelle den Rückzug vom Chefsessel der FDP nah. Mit einer Entscheidung wird bereits am Montag gerechnet.

Berlin. Für die meisten Bundesbürger hat Westerwelle bei den Liberalen ausgedient. Laut ZDF-Politbarometer glauben 55 Prozent, dass der Bundesaußenminister nach dem FDP-Parteitag Mitte Mai nicht mehr Parteivorsitzender ist. Und nach einer Umfrage des Forsa-Instituts hat der einstige Hoffnungsträger auch den Rückhalt in der eigenen Anhängerschaft verloren: Mehr als zwei Drittel der FDP-Wähler (68 Prozent) geben ihm die Hauptschuld für den rasanten Ansehensverlust der Partei. Die Niederlagen am vergangenen Wahlsonntag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz markieren hier einen neuen Tiefpunkt. Seitdem brodelt es bei den Liberalen immer heftiger.

Noch zu Wochenbeginn hatte Westerwelle die Order ausgegeben, Personalfragen erst am 11. April auf einer Sitzung des Präsidiums mit den Landesvorsitzenden zu beantworten. Doch dieser Termin ist angesichts der wachsenden Turbulenzen nicht mehr zu halten. "Die Debatte kann so nicht weiter laufen. Der Schaden wäre dann besonders einschneidend für unsere Regierungsmitglieder", heißt es in der Partei. Eine rasche Lösung soll deshalb nun die reguläre Sitzung der Parteispitze am kommenden Montag bringen. Es sei aber noch nicht so, dass Westerwelle schon bereit wäre, sein Parteiamt zur Verfügung zu stellen, sagen Leute, die ihn gut kennen.

Trotzdem scheint es kaum vorstellbar, dass Westerwelle noch länger zu halten ist, zumal gestern auch Teile der ersten Reihe offen von ihm abrückten. "Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen", auch "personell", meinte Fraktionschefin Birgit Homburger. Für sich selbst schloss Homburger diese Maxime allerdings ausdrücklich aus. Dabei sieht sie sich ebenfalls mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

"Keiner sollte an seinem Posten kleben", gab auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Protokoll. Die 59-jährige Liberale gilt selbst als Anwärterin auf Westerwelles Nachfolge. Allerdings nur für den Übergang, denn als exponierte Vertreterin des bürgerrechtsliberalen Flügels ist sie keine Figur, hinter der sich die ganze Partei auf Dauer versammeln könnte.

Solche Personen sind bei den Liberalen ohnehin ziemlich rar gesät. Die größten Chancen, Westerwelle zu beerben, werden Generalsekretär Christian Lindner (32) und Gesundheitsminister Philipp Rösler (38) zugeschrieben. Durch seinen radikalen Schwenk in der Atompolitik hat sich Lindner aber nicht nur Freunde gemacht.

Der Niedersachse Rösler hingegen empfand schon die Übernahme des Ministerpostens in der Hauptstadt als ungewollten Einschnitt in seine private Lebensplanung. Durch den zusätzlichen Parteijob würde er die Familie in Hannover noch seltener sehen.

So dürfte am ehesten Lindner in Frage kommen, dem man auch die dringend benötigte inhaltliche Erneuerung der Liberalen zutraut.

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