Mehr Menschen wählen Notruf bei Vergiftungen

Trier/Mainz · Der rheinland-pfälzische Giftnotruf hat immer mehr zu tun. Dem neuesten Jahresbericht zufolge ist die Zahl der Beratungsgespräche auf mehr als 32.000 gestiegen. Egal, ob es um verschluckten WC-Reiniger geht oder um eine Überdosis Drogen: Unter der Telefonnummer 06131/19240 erklären Ärzte, was im Notfall zu tun ist.

Kleine Kinder stecken alles in den Mund, was sich nicht wehrt: Sie essen Waschpulver, trinken Pflanzenschutzmittel oder kauen auf giftigen Goldregenschoten herum. Erwachsene hingegen vergiften sich gerne mit dem Entkalker, den sie in der Kaffeemaschine vergessen haben, sie verwechseln Pilze oder versuchen, sich mit Schmerzmitteln das Leben nehmen. Solche und viele andere Fälle, bei denen giftige Substanzen eine Hauptrolle spielen, halten die Mitarbeiter der Giftinformationszentrale in Mainz auf Trab: Der gemeinsame Giftnotruf der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen ist 2011 deutlich häufiger gewählt worden als noch im Jahr zuvor. Das geht aus dem neuen Jahresbericht hervor. Rund 32.500 Einzelberatungen zählten die Giftexperten demnach 2011. Dies sei ein Anstieg um rund fünf Prozent. Ursache sei vor allem der erhöhte Beratungsbedarf in Kliniken - aber auch, dass einfach immer mehr Menschen wissen, dass beim Giftnotruf unter der Telefonnummer 06131/19240 an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr Ärzte zu erreichen sind, die sich mit Vergiftungen bei Mensch und Tier bestens auskennen. Statistisch gesehen kommt fast täglich auch ein Anruf aus Trier (insgesamt 341 im Jahr 2011). Die Hälfte der Fälle betrifft Kinder, die etwas Falsches zu sich genommen haben. Giftexperte Hans-Jürgen Reinecke rät Eltern dringend, erst telefonisch Rat zu suchen. Und nicht einfach panisch irgendwelche Aktionen zu starten, wie Milch zu geben oder eine Kochsalzlösung zu verabreichen. "Falsches Handeln kann gefährlicher sein als die eigentliche Vergiftung", sagt Reinecke. Als "Notfalldepot" für Zuhause empfiehlt er Kohletabletten, da sie Giftstoffe binden können und entschäumende Medikamente wie "Sab simplex" und "Lefax-liquid". Die gebe es rezeptfrei in der Apotheke. Auch, wenn der Schreck erstmal groß ist - die wenigsten Kinder vergiften sich so ernsthaft, dass sie in die Klinik müssen. Die andere Hälfte der Vergiftungen betrifft Erwachsene. Diese sind nur in zwei Dritteln der Fälle auf Versehen oder Unfälle zurückzuführen. Bei etwa sechs Prozent der Erwachsenen geht es um Drogenmissbrauch. Mehr als 20 Prozent der Menschen, um die sich die Beratungsgespräche drehen, haben versucht, sich mit Medikamenten das Leben zu nehmen. 6326 Anrufe, meist von Klinikärzten, hat es 2011 aus diesem Grund gegeben. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) sagt, der Beratungsbedarf nehme seit Jahren zu. Es sei daher wichtig, eine gute Anlaufstelle anzubieten. Das GIZ wird von den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen finanziert. Im Jahr 2011 kamen rund 44 Prozent der Anrufe aus Hessen, rund 27 Prozent aus Rheinland-Pfalz, die übrigen aus anderen Bundesländern. Extra: Giftinformationszentrum

Das Zentrum in Mainz besteht seit dem Jahr 1964 und ist eines von neun bundesdeutschen Giftinformationszentren. Es befindet sich in der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und ist an eine Intensivstation angebunden. Das Beratungsteam besteht überwiegend aus Ärzten und wird durch Chemiker, Biologen und Pharmazeuten ergänzt. Den Beratern stehen umfangreiche medizinische, pharmazeutische und toxikologische Datenbanken über Medikamente, Chemikalien und andere Giftstoffe zur Verfügung. Unter der Notrufnummer 06131/19240 bieten sie rund um die Uhr Beratung bei Vergiftungsfällen an - sowohl für Privatpersonen als auch für medizinisches Personal und andere Institutionen, wie Feuerwehr oder Polizei. Extra: Erste Hilfe bei Vergiftungen

Sollte es zu einer Vergiftung gekommen sein, raten die Mainzer Experten zu folgendem Verhalten: Ruhe bewahren! Jedes übereilte Handeln könne Schaden anrichten. Sollte der Betroffene bewusstlos sein, sofort den Notruf 112 alarmieren. Dann den rund um die Uhr besetzten Giftnotruf anrufen, Telefon 06131/19240 und folgende Angaben bereithalten: Wer ist betroffen, was wurde genommen, wie viel, wie gelangte die Substanz in den Körper, wann geschah das und welche Beschwerden hat der Betroffene? Anschließend den Angaben des Arztes folgend Erste Hilfe leisten. Extra: Tipp für Kinder

Um zu verhindern, dass Kinder giftige Pflanzen zu sich nehmen, raten die Experten, Kindern beizubringen, dass alle Früchte vor dem Essen gewaschen werden müssen. Dadurch erreiche man, dass Pflanzen gezeigt werden, ehe sie in den Mund wandern.

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